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Die Grünen fahren geräuschlos geradeaus

Die Berliner Grünen sind so still wie selten zuvor. Auf ihrem Landesparteitag bestätigen sie reibungslos ihren Vorstand. Nur Reinhard Bütikofer und Wolfgang Wieland trauen sich, über Joschka Fischers Visa-Affäre zu sprechen

Autosuggestion kann so schön sein. Wenn man ganz doll die Augen schließt und hofft, dass alle Probleme verschwunden sind, wenn man sie wieder öffnet, dann kann das klappen. Muss aber nicht. Die Berliner Grünen haben auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz am Samstag darauf vertraut. Während in Köln Joschka Fischer bei den NRW-Grünen von eigenen Fehlern in der Visa-Affäre sprach, schwiegen in Berlin fast alle der mehr als 150 Grünen-Delegierten zum Hauptproblem der Partei. Und nicht nur dazu.

Einer der wenigen, die die brenzlige Situation des Außenministers zum Thema machten, war ein Gastredner: der Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer. Zwar räumte er mit Blick auf die rot-grüne Visapraxis ein: „Wenn es keine Fehler gegeben hätte, gäbe es keinen Untersuchungsausschuss.“ Doch nutzte Bütikofer dieses Zugeständnis vor allem als rhetorisches Sprungbrett, um die grüne Weltoffenheit zu feiern. Auch sollten die Grünen es CDU und CSU „nicht durchgehen lassen, dass sie Ukrainer als Zwangsprostituierte und Menschenhändler verunglimpfen“. Alles in allem argumentierte der Parteivorsitzende so wie der Außenminister eine Stunde zuvor in Köln. Die Berliner Delegierten dankten es Bütikofer mit heftigem Applaus.

Sie selbst fanden nur wenige klare Worte. Weder zu Fischers Verantwortung in der Visa-Affäre noch zur Frage, wie sie 2006 die Wahlkämpfe um das Abgeordnetenhaus und den Bundestag führen wollen. Am eindrücklichsten warnte Exfraktionschef Wolfgang Wieland vor grüner Selbstzufriedenheit angesichts von Umfragewerten um die 15 Prozent. Nach seinem erfolglosen Ausflug als Spitzenkandidat der Brandenburger Grünen im vergangenen Herbst wählten die Delegierten Wieland in den siebenköpfigen erweiterten Landesvorstand. Der 56-Jährige mahnte, die Grünen müssten 2006 „besser aufgestellt sein, als wir es in der Visa-Affäre waren“. Doch Wieland blieb mit der Kritik weitgehend allein.

Die Delegierten beschränkten sich darauf, still und leise den bestehenden Landesvorstand auch für die kommenden zwei Jahre durchzuwinken. Schon im ersten Wahlgang erhielt das Spitzenduo, das keine Gegenkandidaten fürchten musste, komfortable Mehrheiten. Die 41-jährige Almuth Tharan ging mit 105 der 145 abgegebenen Stimmen in ihre zweite Amtszeit als Landesvorsitzende. Ihr Kollege Till Heyer-Stuffer erhielt 109 von 153 gültigen Stimmen. Vor dem Parteitag hatte es intern noch Kritik an der Arbeit der beiden Landesvorsitzenden gegeben. Nun war davon nichts mehr zu hören.

Mit Blick auf Fischers Kölner Rede sagte Wieland, dieser „Befreiungsschlag“ komme sechs Wochen zu spät. Und fügte hinzu, die Wähler vertrügen die Wahrheit, aber kein „Kneifen und Taktieren“. Dass die Berliner Grünen Wielands Worte auch als Selbstkritik verstanden haben, ist unwahrscheinlich. Die stört nämlich sehr bei der Autosuggestion. MATTHIAS LOHRE

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