Marit Björgen gehört jetzt zu den Großen

Mit insgesamt fünf Medaillen drückte die Langläuferin aus Norwegen der Oberstdorfer WM ihren schönen Stempel auf

OBERSTDORF taz ■ Am Samstag war Marit Björgen am Ende ihrer Kraft angekommen, glücklicherweise war das erst am Ende des 30-Kilometer-Langlaufs. Zusammengekauert lag sie hinter der Ziellinie, ihre Lungen pumpten vor Anstrengung und ihre Tränen tropften in den Schnee. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. Am Ende der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf war es dennoch ihr Gesicht, an das man sich erinnern wird. Die 24-Jährige aus Trondheim war die erfolgreichste Teilnehmerin mit fünf Medaillen in den sechs Disziplinen, die es bei Weltmeisterschaften im Frauen-Langlauf gibt. Dreimal gewann sie Gold, und das letzte, das über 30 Kilometer im klassischen Stil, bezeichnete sie als „den größten Erfolg, den ich geschafft habe“.

Es war ihr erster Einzeltitel bei dieser WM nach Siegen mit der norwegischen Staffel und im Teamsprint. Und es war eine Genugtuung, auf der längsten Distanz gesiegt zu haben, nachdem sie zuvor auf der kürzesten nichts gewonnen hatte – im Einzelsprint, der Disziplin, die als ihre stärkste galt, da war sie Titelverteidigerin. „Ich hatte mir eine Medaille erhofft“, sagte sie am Samstag, „ich war sehr enttäuscht.“ Nach dem unverhofften Sieg über 30 Kilometer wischte Marit Björgen die Freudentränen weg und zeigte ihr wahres Gesicht: lächelnde Lippen, strahlende Augen, glänzende Ringe im Ohr und in der linken Augenbraue. In Norwegen, wo der Ski-Langlauf im klassischen Stil ein Nationalsport ist, gehört sie jetzt zu den ganz Großen. „Sie ist derzeit die kompletteste Läuferin“, sagt der deutsche Bundestrainer Jochen Behle.

Noch zu Saisonbeginn galt Björgen als reine Sprint-Spezialistin, dann gewann sie im Weltcup erst ein 10-km-Rennen und dann sogar eine 15-km-Verfolgung. „Am Anfang war ich überrascht“, sagt die Italienerin Gabriella Paruzzi, Olympiasiegerin über 30 km und Weltcup-Gesamtsiegerin im vorigen Winter, „aber jetzt nicht mehr. Marit ist überall gut, sie wird den Weltcup gewinnen.“ Marit Björgen führt das Klassement deutlich an, und sie erklärt ihren Wandel zur Allrounderin mit der gleichen Leichtigkeit, mit der sie ihren Gegnerinnen derzeit davonzieht: „Ich habe nie speziell für den Sprint trainiert, ich wollte immer gut sein auf den längeren Strecken.“ Im Sommer habe sie viel Wert auf ihre Skating-Technik gelegt und generell mehr und härter trainiert: „Außerdem bin ich ein Jahr älter und erfahrener geworden, das hilft auch.“

In einem Jahr finden die Olympischen Spiele in Turin statt, und über die nähere Zukunft sagt Marit Björgen: „Ich glaube, dass ich noch besser in Form kommen und auch technisch noch besser laufen kann.“ Claudia Künzel aus Oberwiesenthal, die Siebte des 30-km-Rennens, schreckt das nicht: „Ich bin froh, dass sie mitläuft“, sagt die Oberwiesenthalerin, „sie ist eine Werbung für unseren Sport.“ Im Moment kann jedenfalls keine so laufen und kaum eine so lächeln wie Marit Björgen. Selbst so schön weinen können nur wenige. JOACHIM MÖLTER