: „Rumänien hat schwere Probleme“
EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hält den baldigen Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Rumänien mangels Fortschritten für gefährdet. Am Termin mit Kroatien will er festhalten – trotz ungenügender Kooperation Zagrebs mit Den Haag
INTERVIEW RUTH REICHSTEIN
taz: Zurzeit machen Ihnen zwei Beitrittskandidaten Sorgen, Rumänien und Kroatien. Eigentlich soll mit Rumänien Ende April der Beitrittsvertrag unterzeichnet werden. Aber es gibt immer mehr Kritik, die Korruption sei noch viel zu hoch.
Olli Rehn: Es gibt noch schwerwiegende Probleme – vor allem was Justiz und Inneres, Staatsbeihilfen und Umweltfragen angeht. Mangels Fortschritten konnte die Kommission den Abschluss der Verhandlungen in diesen Bereichen nicht vorschlagen. Auch einige Mitgliedsstaaten waren dagegen. Als Kompromiss wurde ein strenger Kontrollmechanismus eingeführt. Die neue Regierung tut aber sehr viel. Es gibt einen Aktionsplan gegen Korruption und Verbrechen. Auch das Rechtssystem wird reformiert. Ende dieses Jahres wird die Kommission einen weiteren Bericht vorlegen. Wenn alles perfekt läuft, kann Rumänien 2007 beitreten. Aber wir können den Termin auch um ein Jahr verschieben, wenn nicht alle Bedingungen erfüllt werden.
Terminprobleme könnte es auch mit Kroatien geben. Die Verhandlungen sollen am 17. März beginnen, aber die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal lässt zu wünschen übrig. Wollen Sie am Termin festhalten?
Ich möchte die Verhandlungen am 17. März beginnen, weil das für Kroatien und die EU wichtig und ein positives Signal für die anderen Balkanstaaten wäre. Aber die Kommission ist der Wächter der Verträge und der Schlussfolgerungen des Rates. Da heißt es ganz klar, dass Kroatien mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeiten muss. General Gotovina muss nach Den Haag überstellt werden. Seit ich mich vor einigen Wochen dazu skeptisch geäußert habe, hat die kroatische Regierung ihre Bemühungen, den General zu finden, verstärkt. Es gibt einen offiziellen Haftbefehl. Polizei und Geheimdienst haben einen klaren Befehl, den General zu suchen. Die Chefanklägerin del Ponte wird Anfang März eine neue Stellungnahme abgeben, und das wird die Grundlage für unsere Entscheidung sein.
Kürzlich haben Sie gesagt, die Grenzen Europas seien nicht geografisch, sondern über gemeinsame Werte definiert. Wo liegen die Grenzen der EU?
Der EU-Vertrag sagt ganz klar, dass sich jedes europäische Land um eine Mitgliedschaft bewerben kann. Das gilt auch für die neue Verfassung. Aber es ist vor allem wichtig, dass die Bevölkerung eine solche Mitgliedschaft unterstützt. Das ist klar der Fall in der Türkei. Die Schweizer dagegen wollen das nicht, obwohl das Land sicher mehr von den anderen Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllen würde als die Türkei. Ich denke da an die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen von Kopenhagen.
Heißt das, die Erweiterung hat keine Grenzen?
Nein, wir müssen darauf achten, dass die EU nicht ihre Handlungsfähigkeit verliert und ihre Bürger die Erweiterungsschritte unterstützen können. Aus diesem Grund musste die Türkei jahrzehntelang warten, bis sie 1999 als Kandidat anerkannt wurde. Auch Marokko hat die EU in den 80er-Jahren abgelehnt. Jetzt haben wir mit Bulgarien und Rumänien, Kroatien, den übrigen Balkanländern und der Türkei schon eine lange Liste, die erst bewältigt werden muss.
Also ist auf Ihrer Liste derzeit kein Platz für die Ukraine?
Es ist wichtig, der Ukraine mit konkreten Maßnahmen zu helfen, sich der Europäischen Union anzunähern. Das geschieht mit dem Aktionsplan, den wir verabschiedet haben. Die Regierung hat viele Reformen vor sich, bis europäische Standards erreicht sein werden. Sage niemals nie! Aber ich denke, es ist für die Ukraine besser, nicht sofort die Mitgliedschaft zu verlangen.
Ende des Jahres sollen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beginnen. Die Bedingung war die Unterzeichnung des Ankara-Protokolls, das den griechischen Teil Zyperns als Staat anerkennt. Gibt es dazu Neuigkeiten aus Ankara?
Ja, wir sind dabei, die letzten technischen Fragen zu klären. Ich fliege Anfang März in die Türkei und hoffe, dass die türkische Regierung das Protokoll vorher paraphiert, damit wir über die nächsten Schritte reden können. Das Protokoll muss anschließend vom Rat und der türkischen Regierung verabschiedet und unterzeichnet werden. Das kann noch Monate dauern.