„Die Wähler könnten einen Zusammenhang sehen“

Es gibt keine Verbindung zwischen Visaerteilung und Arbeitslosigkeit. Doch die Wähler könnten ihn herstellen, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Edgar Moron

taz: Herr Moron, in der Visa-Affäre hat Joschka Fischer gestern erstmals eigene Fehler eingestanden. Ist das die ersehnte Entlastung für den Landtagswahlkampf der SPD?

Edgar Moron: Eindeutig ja. Fischer hat eine gute, offene und ehrliche Rede gehalten. Damit kann man politisch arbeiten.

Bisher gehörte die NRW-SPD zu den schärfsten Kritikern Fischers. Landesparteichef Harald Schartau hat noch vor der Opposition eine Verbindung zwischen der Visa-Affäre und den steigenden Arbeitslosenzahlen gezogen. Ein Fehler?

Nein, das war kein Fehler, denn diesen Zusammenhang gibt es tatsächlich. Es bestand die Gefahr, dass die Opposition Themen wie illegale Einreise, illegale Arbeitsaufnahme, steigende Kriminalität für die Auseinandersetzung im Wahlkampf instrumentalisiert. Jetzt aber liegen klare Aussagen des Außenministers vor, Fischer hat klar zwei Fehler benannt.

Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht dagegen keinen Zusammenhang zwischen Visavergabe und Arbeitslosigkeit …

Der ist auch nicht nachzuweisen, ebenso wenig wie die restlichen Vorwürfe der CDU. Es gibt keinen Anstieg der Kriminalität, keine Zunahme der Prostitution. Alle Zahlen sprechen gegen diese Behauptungen der Union, das hat auch Nordrhein-Westfalens SPD-Innenminister Fritz Behrens klar nachgewiesen. Dennoch bestand eine Gefahr gerade für unseren Landtagswahlkampf.

Also war Schartau doch zu nervös und zu voreilig?

Harald Schartau wollte ausdrücken, dass unsere Wähler einen Zusammenhang herstellen könnten. Jetzt liegen belastbare Zahlen vor, und das ist der richtige Weg: Wenn die Fakten auf den Tisch kommen, erledigt sich die Sache von selbst.

Kurt Beck, der Rheinland-Pfalz zusammen mit der FDP regiert, warnt die SPD bereits vor einer Fixierung allein auf die Grünen. Könnte Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen wackeln?

Es ist völlig unstrittig, dass wir zu unserer erfolgreichen Koalition stehen. Klar ist: Eine Koalition ist keine Heirat auf Dauer. Aber wir haben gute Arbeit geleistet, und wir wollen mit Rot-Grün in NRW fünf weitere Jahre gut regieren.

Olaf Scholz, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, jubelt bereits, mit der Rede Fischers sei aus der Visa-Affäre die „Luft raus“. Wie wichtig ist der Untersuchungsausschuss noch?

Wir können unseren Berliner Parteifreunden nur den Ratschlag geben, Fischer möglichst schnell zu hören. Alle noch offenen Fragen müssen in möglichst kurzer Zeit geklärt werden – dann sind wir auch nicht mehr den unbegründeten Vorwürfen unterbeschäftigter CDU-Politiker ausgesetzt.

Trotzdem spielt Rot-Grün in Berlin auf Zeit. Wäre ein Auftritt des Außenministers kurz vor der NRW-Wahl für Sie nicht die schlechteste Alternative?

Ich weiß nicht, ob Fischer besser in zwei oder in vier Wochen auftreten sollte. Noch einmal: Je länger sich die Klärung im Untersuchungsausschuss hinzieht, je länger sind wir den Beleidigungen der Union ausgesetzt.

Dabei bekommen Sie doch Rückenwind ausgerechnet vom Oppositionsführer der CDU in NRW, Jürgen Rüttgers.

Ja, Rüttgers zeigt mit seinem Vorwurf, wir redeten über die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen seit 1945, wieder seine Maßlosigkeit – genau wie vor fünf Jahren mit seinen Slogan „Kinder statt Inder“. Rüttgers fehlt einfach die nötige Objektivität und Fairness. Das zeigt, dass er nicht das Format zum Ministerpräsidenten hat.

Die NRW-Wahl ist also noch völlig offen?

Natürlich hat Rot-Grün noch nicht gewonnen, natürlich müssen wir einen intensiven Wahlkampf machen. Aber die SPD, Rot-Grün insgesamt, kommt aus einem tiefen Tal heraus. Noch vor neun Monaten wurden wir bereits völlig abgeschrieben. Jetzt haben wir ein Kopf-an-Kopf-Rennen, jetzt ist wieder alles offen. INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA