: Musikstadt in der Warteschlaufe
The Soundtrack Of Our Lives: Auch in Hamburg will man die Musik mittlerweile mehr lebenspragmatisch und nicht nur philosophisch. Vorbei scheint es mit den Schulbildungen zu sein, was aber noch nicht unbedingt für ein geschärftes Profil in der Hamburger Clubszene sorgt. Die wenigstens wird mit der „Clubprämie“ grundsätzlich gefördert
Ist ja auch eine Sache für den Standortfaktor, das Treiben in den Clubs. Und damit es genügend bunt getrieben werden kann, gibt es in Hamburg die „Clubprämie“. Dieser Preis wird jährlich von der Kulturbehörde an Musikclubs vergeben, die sich besonders in der Stadt etabliert haben. Dieses Jahr wurden insgesamt neun von 27 Bewerbungen ausgewählt.
27 Bewerbungen - das sind schon mal mehr als bislang in der 18-jährigen Geschichte dieser Kulturförderung. Die Preisträger der mit insgesamt 56.000 Euro dotierten Clubprämie 2005 sind die Clubs Schilleroper, Tanzhalle St. Pauli, Westwerk, Cotton Club, Fundbureau, Knust und Molotow. Am meisten Zuwendung aber erhielten der Golden Pudel Club (wo man auch schon regelmäßig Jochen Distelmeyer von Blumfeld an den Plattenspielern sehen durfte) und die Weltbühne im Phonodrome (mit schönem Reeperbahn-Ausblick): Sie erhalten jeweils 15.000 Euro für ein „ambitioniertes Musikprogramm“.
Für das Phonodrome selbst kommt das Geld zu spät. Der Club verabschiedete sich am 16. Februar per Email von seinen Stammgästen. Wo früher zahlreiche Techno-Jünger ihrer Passion frönten, bleiben nun bis zur geplanten Umbenennung in „Kdw“ die Boxen stumm. Hauptgrund für den Wechsel: die sinkenden Besucherzahlen. „Wir können in den vergangenen Jahren von einem Rückgang von etwa 50 Prozent sprechen“, sagt Phonodrome-Betreiber Wolf von Waldenfels. „Gefeiert wird mittlerweile lieber in kleiner privater Atmosphäre.“
Rund um die Reeperbahn, Hamburgs populäres Nachtviertel, liegen die meisten Musikclubs der Stadt. Kaum eine andere Vergnügungsmeile ist weltweit so bekannt für ihr scheinbar niemals endendes Treiben. Was auch vermartktbar ist. „Wir merken seit ein bis zwei Jahren, dass die Nacht-Szene eine immer größere Rolle spielt – gerade seit Einführung der Billig-Flüge“, sagt Guido Neumann von der Hamburger Tourismus GmbH.
Wobei die Clubszene durchaus aktiver sein könnte. „Hamburg ist und war schon immer eine Musikstadt – aber zur Zeit befindet sie sich in der Warteschleife“, sagt Mojo-Inhaber Leif Nüske. Clubsterben, kreativer Stillstand oder einfach nur Zeit des Umbruchs? „Ich hatte eine Phase, wo ich dachte, dass ich nur noch auf Club-Closing-Partys auflege“, sagte DJ Chris Liebing vor einiger Zeit in einem Interview. „Aber wenn Clubs zumachen, machen ja auch immer wieder welche auf.“
Besonders für größere Läden scheint die Marktlage ernster zu werden. „Für die klassische Diskothek wird es immer schwieriger zu bestehen“, sagt Tourismusexperte Neumann. „Die Bedürfnisse ändern sich eben alle paar Jahre.“
Für Betreiber wird es schwieriger, dem Selbstverständnis eines hochwertigen und ausgefallenen Programms gerecht zu werden und dabei individuell zu bleiben. „Vielen Clubs fehlt es auch einfach an Profil“, sagt Nüske. Der moderne Clubgänger bevorzugt offensichtlich stylisches Ambiente gepaart mit Fingerfood; er ist anspruchsvoller geworden, will aber unterhalten werden. „Das Publikum konsumiert mehr und kennt sich deutlich weniger mit der Musik aus als beispielsweise noch vor fünf Jahren“, schildert Nüske. „Musik ist jetzt eher ein Soundtrack zum Leben als eine Lebensphilosophie.“ dpa