: Berliner Luft ist immer noch zu dreckig
Die zulässigen Grenzwerte beim Feinstaub wurden in Berlin 2005 bereits 15-mal überschritten. Die Deutsche Umwelthilfe unterstützt jetzt erstmals Musterklagen von Anwohnern einer Hauptverkehrsstraße. Begründung: Gesundheitsgefährdung
AUS BERLIN BEATE STRENGE
Wer an Hauptverkehrsstraßen wohnt, lebt gefährlich. Das Risiko, an Krebs oder Asthma zu erkranken oder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, ist höher als anderswo. Ursache ist die besonders hohe Luftbelastung mit Feinstaub. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) unterstützt nun eine Klage von drei Anwohnern der stark befahrenen Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain. Die Musterklage, die erste dieser Art in Deutschland, werde noch im März eingereicht, kündigte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch, gestern in Berlin an.
Berlin wird in diesem Jahr die seit Januar geltenden Feinstaub-Grenzwerte in der Innenstadt nicht einhalten können. Nach der EU-Feinstaubrichtlinie darf der Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an maximal 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Das war an der Frankfurter Allee 2005 bereits 15-mal der Fall. 2004 wurde der Wert an 42 Tagen, 2003 an 96 Tagen übertroffen.
Auch andere deutsche Städte haben das Problem. In München waren die Feinstaubwerte 2005 bereits an 20 Tagen, in Dortmund an 19 und in Düsseldorf und Frankfurt an je 15 Tagen zu hoch. Auch in Dortmund und München will die Umwelthilfe Klagen unterstützen. „Wir sind bei der Anbahnung“, sagte Resch.
Der in der vergangenen Woche vorgestellte Luftreinhalteplan von Berlin enthalte zwar „eine Reihe vernünftiger Dinge“, reiche aber bei weitem nicht aus und komme zu spät. „Was Berlin vorhat, ist offener Rechtsbruch. Der Plan ist ein Placebo in Mogelpackung“, wetterte Resch. Er kritisierte, dass der Berliner Senat Fahrverbote erst von 2008 an in Betracht ziehe, und diese auch nur für extrem schmutzige Autos, nicht aber für alle Diesel ohne Partikelfilter. Nach Auffassung des Rechtsanwaltes Fabian Löwenberg ist Berlin aus Gründen der Vorsorge gesetzlich dazu verpflichtet, auch kurzfristig gegen die Staubbelastung vorzugehen. Und dies sei derzeit nur mit Fahrverboten möglich. Gesundheit und Leben seien hohe Rechtsgüter, es liege eine Gesundheitsgefährdung seiner Mandanten vor, argumentierte der Rechtsanwalt.
Der Leiter der Abteilung Umweltpolitik des Berliner Senats, Manfred Breitenkamp, sieht das anders. Das Gesetz besage auch, „dass die Maßnahmen verursachergerecht und verhältnismäßig“ sein müssten, sagte Breitenkamp der taz. Die Feinstpartikel seien aber zur Hälfte nicht in Berlin entstanden, an Spitzentagen seien sogar 70 Prozent importiert – vor allem aus Richtung Osten. An der Frankfurter Allee kämen nur 16 Prozent des Feinstaubes aus dem Auspuff. „Wer jetzt Fahrverbote fordert, gefährdet die Versorgung der Stadt“, so Breitenkamp. Berlin habe seine Hausaufgaben gemacht. Die meisten Ofenheizungen seien saniert, drei Viertel der Berliner Busse führen mit Dieselfilter.
„Wir bestreiten nicht, dass in Berlin der meiste Feinstaub von auswärts kommt. Aber die Stadt muss da handeln, wo sie kann: beim Verkehr“, sagte Gerd Rosenkranz von der DUH. Von 2010 an gelten noch strengere Grenzwerte mit zulässigen Überschreitungen an nur 7 Tagen.