: Real existierender Kapitalismus
LOHNDRÜCKER Callcenter-Unternehmen prellt durch entsprechende Dienstplangestaltung Mitarbeiter um gesetzliche Feiertage. Aber die Beschäftigten tun sich schwer, ihre Rechte tatsächlich einzufordern
ENTGELTFORTZAHLUNGSGESETZ § 2 Entgeltzahlung an Feiertagen
(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
(2) Die Arbeitszeit, die an einem gesetzlichen Feiertag gleichzeitig infolge von Kurzarbeit ausfällt und für die an anderen Tagen als an gesetzlichen Feiertagen Kurzarbeitergeld geleistet wird, gilt als infolge eines gesetzlichen Feiertages nach Absatz 1 ausgefallen.
(3) Arbeitnehmer, die vor oder nach Feiertagen unentschuldigt der Arbeit fernbleiben, haben keinen Anspruch auf Bezahlung für diese Feiertage.BUNDESURLAUBSGESETZ § 3 Dauer des Urlaubs
■ (1) Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.
■ (2) Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.
■ Das Gesetz bezieht sich auf eine Sechstage-Woche. Bei einer Fünf- oder Viertagewoche verringert sich der Anspruch.
VON GERNOT KNÖDLER
Der Fall sieht ganz nach Lohndrückerei aus. Beschäftigte des Hamburger Callcenter-Betreibers Basis Audionet sehen sich regelmäßig um ihre Feiertage gebracht. Der von ihnen vermutete Trick: Die Schichtpläne werden so angepasst, dass anfallende freie Tage häufig mit gesetzlichen Feiertagen zusammenfallen, also nicht bezahlt werden.
Der taz vorliegende Unterlagen bekräftigen diese Vermutung. Sie belegen auch, dass einer Mitarbeiterin nur 17 Tage Urlaub im Jahr gewährt wurden, obwohl 20 Tage gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Callcenter-Mitarbeiter wollen nicht genannt werden, weil sie berufliche Nachteile befürchten. „Wir halten uns an die gesetzlichen Vorgaben“, versichert Unternehmenssprecherin Ilka Bodmann.
Die Firma Basis Audionet gehört zur Elmshorner Avantax-Holding. Das Unternehmen betreibt eigenen Angaben zufolge Server und Vermittlungseinrichtungen für die Telekommunikation. Außerdem gewinnt und betreut es mit seinem Callcenter im Auftrag von Drittfirmen Kunden. Sieben Millionen Endkunden betreue Basis Audionet in diesem Rahmen, wobei der Schwerpunkt auf „Produkten mit hohem Erklärungsbedarf“ liege. Täglich gingen bis zu 30.000 Anrufe ein.
Die betroffenen Beschäftigten erläutern diese komplexen Produkte am Telefon. Sie arbeiten 30 bis 40 Wochenstunden an fünf Tagen in der Woche – von Montag bis Samstag. Zum Ausgleich für Arbeit am Samstag ist ein anderer Wochentag arbeitsfrei.
Daraus ergibt sich ein Schichtsystem mit einem festen Rhythmus aus Arbeitstagen und freien Tagen. Wie verschiedene Beschäftigte sagen, werde jedoch der Schichtplan in Feiertagswochen häufig willkürlich geändert, so dass der freie Tag auf den Feiertag falle. „Das heißt, dass 50 Prozent der freien Tage nicht bezahlt werden“, ärgert sich eine Mitarbeiterin.
Die Geschäftsführung sei erstaunt über diese Vorhaltungen, sagt Pressesprecherin Bodmann. „Das Schichtsystem ist mit dem Betriebsrat abgeklärt.“ Der Betriebsratsvorsitzende Jonny Bader bestätigt das. Die Feiertagsfrage sie Thema bei einer Betriebsversammlung gewesen und geklärt worden. „Es kann mal sein, dass ein freier Tag auf einen Feiertag fällt“, räumt Bader ein. „Das ist in Ordnung.“ Der Betriebsrat achte aber darauf, dass das Regelwerk der Rotation eingehalten werde und dies nicht zu oft vorkomme. Es könne nicht die Rede davon sein, dass in großem Umfang freie Tage auf Feiertage fielen.
Auch zu den 17 Tagen Urlaub hat Bader eine Vermutung: Wer nur vier Tage die Woche arbeite, habe bloß Anspruch auf 17 Tage Urlaub, habe ihm ein Anwalt versichert. Das trifft allerdings auf die in Rede stehende Beschäftigte nicht zu. Ihr Problem sei totgeredet worden, erinnert sich die Mitarbeiterin. „Uns ist schleierhaft, wie das zu Stande kommt“, sagt Bodemann mit Blick auf den Mini-Urlaub.
Peter Bremme von der Gewerkschaft Ver.di wundert sich nicht über die Berichte der Audionet-Mitarbeiter. Er kennt reichlich andere Fälle aus dem Dienstleistungsgewerbe, in denen die Beschäftigten stark unter Druck gesetzt würden, unter anderem im Bewachungsgewerbe. Bei den Friseuren gebe es keine Tarifverträge mehr, mit der Folge, dass die Löhne sich „im freien Fall“ befänden. Mittlerweile sei es soweit, dass Stühle an „selbständige“ Friseure vermietet würden, die für jeden frisierten Kopf eine Provision bezahlen müssten.
Löhne drückende Arbeitgeber rechneten damit, „dass die Leute einknicken und sich nicht individualrechtlich wehren“, sagt Bremme. Weil die Gewerkschaften kein Verbandsklagerecht hätten, könnten sich die Beschäftigten nur mit Sammelklagen helfen. „Das ist meistens sehr effektiv“, sagt Bremme. In erster Linie sei es aber Aufgabe der Betriebsräte, die Umsetzung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen einzufordern.