Hamburg wird immer arbeitsloser

Hartz IV treibt Zahl der Jobsuchenden weiter in die Höhe: Mehr als 92.000 Hamburger ohne Arbeit, über die Hälfte muss mit Arbeitslosengeld II auskommen. Stadt meldet 64.000 arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger – nach nur 15.000 in 2003

Von Eva Weikert

Zwei Monate nach Einführung des Hartz IV-Arbeitsmarktgesetzes ist die Zahl der Erwerbslosen in Hamburg nochmals gestiegen. Ende Februar waren 92.042 Menschen ohne Arbeit und damit 4,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Vergleich zu Januar gab es laut Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Zuwachs von 2,2 Prozent. Die Quote stieg nach 10,3 Prozent im Januar auf 10,6 Prozent. Im Februar 2004 hatte sie 10,0 Prozent betragen.

Nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bekommen 53 Prozent der Hamburger Joblosen das neue Arbeitslosengeld II (ALG II) von 345 Euro. Fast jeder dritte Jobsuchende gilt als Langzeitarbeitsloser. Diese Gruppe wuchs im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 7,1 Prozent auf fast 29.500. Dramatisch stieg auch die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen: 10.150 Erwerbslose bedeuteten hier 10,6 Prozent mehr als im Januar und 25,3 Prozent mehr als noch vor zwölf Monaten. Bei den über 55-Jährigen erhöhte sich die Erwerbslosenzahl binnen Monatsfrist um 1,1 Prozent auf rund 10.900.

Den neuerlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit begründete Arbeitsagentur-Chef Rolf Steil mit Hartz IV. Zum Großteil seien die neuen 2.024 Joblosen erwerbsfähige Ex-Sozialhilfeempfänger, die jetzt als arbeitslos definiert werden. Deren Aufnahme in die Statistik sei „längst überfällig“, kommentierte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU), „weil so die Errechnung einer echten Arbeitslosenzahl möglich wird“. In Hamburg liege diese jedoch weit höher, als die Statistik bisher zeige. Uldall: „Aufgrund der vielen erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger wird die erschreckend hohe Zahl in den nächsten Monaten auf einen Wert zwischen 120.000 und 140.000 steigen.“

Insgesamt weist die Statistik für Hamburg 167.484 ALG-II-Empfänger aus. 116.784 davon sind frühere Sozialhilfebezieher, Angehörige mitgerechnet. Sie wurden von der Sozialbehörde zum Jahreswechsel als „potenziell arbeitsfähig“ gemeldet. Damit spart die Stadt Geld, denn für das ALG II kommt der Bund auf. Die Angehörigen ausgenommen, hat die Sozialbehörde rund 64.000 „arbeitsfähige Haushaltsvorstände“ errechnet.

Vor eineinhalb Jahren hatte Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) auf einer Haushaltspressekonferenz im Juli ein ganz anderes Bild gezeichnet. Sie legte eine Bilanz des Ein-Euro-Programms vor, bei dem Sozialhilfeempfänger für einen Euro die Stunde arbeiten müssen. Alte Menschen und Kinder von den damals 128.000 Sozialhilfeempfängern abgezogen, rechnete die Senatorin vor, blieben etwa 32.000 Menschen, die berufstätig sein könnten. Ziehe man Mütter von Babys und Erwerbsunfähige ab, verblieben maximal 15.000 Personen, die in Erwerbsarbeit vermittelbar seien.

Behördensprecher Rico Schmidt begründete die Differenz zu den aktuell angeblich 64.000 arbeitsfähigen Ex-Sozialhilfebeziehern mit der neuen Definition von Arbeitsfähigkeit. Seit Hartz IV gelten alle als arbeitsfähig, die drei Stunden am Tag malochen können. Früher habe es solch eine Vorgabe nicht gegeben, so Schmidt, statt dessen hätten die Sozialämter die Arbeitsfähigkeit „eingeschätzt“. Zugleich seien aufgrund von Fehleingaben Leute falsch eingestuft worden. Wie Agenturchef Steil schätzt, sind jetzt Einzelgespräche mit rund 30.000 ALG II-Beziehern nötig, um die Fehleinstufungen aufzuspüren.