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Archiv-Artikel

Ein Toter zieht um

Viva wechselt nun endgültig nach Berlin. Trotzdem könnte der Medienstandort Köln von dem Abzug profitieren

Obwohl man sich bei Viva schon seit Juni letzten Jahres darauf einstellen konnte, ist der Katzenjammer beim Kölner Musiksender natürlich groß: Die Musikredaktionen von Viva und seinem ehemaligen Konkurrenten MTV werden in Berlin zusammengelegt, nur der Ableger Viva Plus bleibt am Rhein. Das bestätigte MTV-Chefin Catherine Mühlemann am Montag (die taz berichtete). Mindestens 210 Viva-Mitarbeiter verlieren ihren Job, der Viva-Betriebsrat sprach gestern sogar von 270 Kündigungen. Bei insgesamt 292 Mitarbeitern im TV-Bereich kommt aber beides einem Kahlschlag gleich.

Grund für die Kündigungen ist wohl die Erkenntnis, dass der Markt für Musikfernsehen in Deutschland offensichtlich zu klein ist für vier Sender. Bis zum Kauf von Viva durch den US-Konzern Viacom, zu dem auch MTV gehört, buhlten Viva, Viva Plus, MTV und MTV 2 um zusammen 4 Prozent Zuschaueranteil und einen schrumpfenden Werbekuchen. Nun werden aller Voraussicht nach die drei Berliner Sender immer weniger klassisches Musikfernsehen und immer mehr Kinder- und Jugendfernsehen mit musikfernen Formaten anbieten. Da stellt sich die Frage: Wer hat eigentlich gewonnen – Berlin, das einen weiteren Fernsehsender anlocken konnte? Oder vielleicht doch Köln, das ein TV-Projekt der Vergangenheit losgeworden ist? Wenn nämlich, wie die Presse mittlerweile unisono verkündet, das Musikfernsehen tot ist, dann könnte den 300 Mitarbeitern der Viva-Produktionsfirma Brainpool (u. a. „Ladykracher“) und dem Nukleus von etwa 35 Kreativen um Dieter Gorny in Köln eine weit sonnigere Zukunft beschieden sein als den Klingeltonwerbern in Berlin.

Natürlich ist der Umzug von Viva nach Berlin aber auch eine Imagefrage. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) begrüßte die Entscheidung: Berlin sei der bedeutendste Standort der deutschem Musikbranche. Für die NRW-Landesregierung kommt der Viva-Wegzug hingegen ungelegen. „Ein herber Rückschlag für den Medienstandort NRW“, urteilte der medienpolitische Sprecher der oppositionellen CDU, Lothar Hegemann. Dabei hat die amtierende Landesregierung unter Peer Steinbrück (SPD) eigentlich mehr retten können als vermutet: Immerhin bleiben ja Viva Plus und Brainpool in Köln.

MTV-Chefin Mühlemann will zudem die Musikförderung in NRW weiter unterstützen. Ministerpräsident Steinbrück freute sich entsprechend: Er sehe „gute Chancen für die Entwicklung des Standorts Köln“. Außerdem gehe er davon aus, „dass ein langfristiges strategisches Engagement von Viacom im deutschen Medienmarkt auch langfristig wieder neue Arbeitsplätze schaffen kann“. Fragt sich nur, in welchem Segment. SEBASTIAN SEDLMAYR