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Archiv-Artikel

Ein Bauch macht Politik

Silvana Koch-Mehrin, FDP-Europaabgeordnete, ist öffentlich schwanger. Ein weiterer Schritt zur Etablierung eines neuen Politikerinnentypus

„Sie will auch das herkömmliche Bild der Politikerin neu definieren“

VON SUSANNE LANG

Wenn ein Bauch in der politischen Szene bisher provoziert hat, dann war es der von Männern. Kein noch so metaphernfindiger Mediensprachkünstler ließ es sich zuletzt nehmen, den neuerdings Wieder-Bauch von Außenminister Joschka Fischer zu thematisieren. Seit heute hat der mächtige Männerbauch jedoch Konkurrenz: einen entblößten Bauch. Mächtig schwanger. Sexy inszeniert. Ein Kugelbauch in Hochglanz. Der Bauch gehört Silvana Koch-Mehrin, FDP-Europaabgeordnete mit Doktortitel, Blondinentopaussehen, Unternehmer- und Politikkarriere, mit Mann und bereits einer (gemeinsamen) Tochter.

Jetzt ist Koch-Mehrin zum zweiten Mal schwanger und stellt unter dem Titel „Mein Bauch provoziert“ in der aktuellen Ausgabe des Stern mit einer Fotostrecke samt Interview nicht nur das traditionell deutsche Frauenbild zur Debatte, das da immer noch unterschieden wird in karrieregeile Rabenmutter und heimchenfürsorgliche Zuhausemama oder emanzipierte No-Child-Woman. Koch-Mehrin versucht auch eine Neudefinition des in Deutschland herkömmlichen Bildes der Politikerin, also der Frau, die Verantwortung trägt und Macht ausübt. Nach Koch-Mehrins Lesart kommt diese Macht nicht ohne ein öffentliches Bekenntnis zu ihr aus. Macht muss eben auch ausgestrahlt werden. Macht – bei Männern ganz selbstverständlich – ist eben immer auch erotisch konnotiert. In Deutschland täten sich Frauen jedoch schwer, optische Erotik einzusetzen, so Koch-Mehrin im Stern-Gespräch.

Mit ihrer medienwirksamen und ebenso cleveren Zurschaustellung des Bauches – ästhetisch im Wesentlichen weniger provozierend als konventionell – führt die 34-Jährige vor, wie diese Macht der Erotik aus weiblicher Sicht demonstriert werden kann. Der schwangere Bauch signalisiert nicht nur die Fähigkeit zu verantwortlicher und fürsorglicher Mütterlichkeit, er spielt gleichzeitig die Mutterrolle als Überlegenheit gegenüber den Machtmännern aus. Machterotik, die sich nicht über Zigarre und Anzug versinnbildlicht, sondern in der Sexyness eines schwangeren Bauches. Und spätestens seit Schauspielerinnen wie Demi Moore ihren Bauch auf Magazincovern präsentierten oder Jennifer Lopez auf Fotos als „wahrscheinlich sexieste Schwangere“ (Bild) gehandelt wird, ist die Schwangerschaftsikonografie sogar popgeadelt. Und weibliche Machterotik, die Sexyness zitiert, von Anrüchigkeiten befreit.

Nur vordergründig bespielt die FDP-Politikerin dabei das Feld der Familienpolitik. So wehrt sie sich pflichtgemäß gegen die kinderunfreundliche Kultur („In Deutschland ist eine schwangere Politikerin, die weiter Karriere machen will, ein Politikum an sich“) und lobt ihr Leben im Nachbarland Belgien, das Krippenplätze und ein gutes Kinderbetreuungsangebot als Selbstverständlichkeit betrachtet. („In Deutschland kommen sofort Fragen, die woanders nicht mehr gestellt werden müssen: Wie willst du das machen, Kinder und Beruf? Wie lange setzt du aus?“) Betont jedoch zugleich, dass sie nicht plant, sich als Politikerin künftig mit Familienpolitik zu befassen – was der Bundesvorstand der FDP durchaus gern sähe.

Eigentlich zielt Koch-Mehrin, die Finanzpolitikerin, auch auf eine Frage, die sich immer hinter der Debatte um die Kinderlosigkeit von jungen (akademisch ausgebildeten) Frauen verbirgt: Wie hat sich Frau bisher im Geschlechtergleichstellungsspielchen positioniert? Und wie kann sie sich besser aufstellen?

Gegen Vorwürfe, sie habe sich nur ein weiteres Forum geschaffen, um sich selbst zu inszenieren, will sich Koch-Mehrin gar nicht prinzipiell wehren. „Als Politikerin bin ich eine öffentliche Figur“, sagte sie der taz, „nun bin ich eben öffentlich schwanger, und das funktioniert nicht ohne entsprechende Medienbilder.“ Politik werde schließlich und endlich auch mit der eigenen Biografie gemacht.

Im Wesentlichen möchte sie mit ihrer Aktion provozieren. Und in dieser Hinsicht ließe sich als Politikerin tatsächlich etwas lernen von dieser Silvana Koch-Mehrin, die beständig einen neuen Politikerinnentypus zu etablieren versucht, den die andere Parteien, selbst die SPD, wohl nur schwer nachbilden werden können: die ziemlich perfekte, mütterliche, kluge, toughe und junge Politikerin mit einem Fachgebiet, das sich nicht auf Familiefragen beschränkt. Selbst eine siebenfache Turbomutter wie Dr. Ursula von der Leyen, die die CDU als niedersächsische Familien-Sozial-etc.-Ministerin mal eben aus ihrem Frauenhütchen gezaubert hat, sieht dagegen blass aus.

Und manchmal führen ungewöhnliche Wege zu einer gesunden Selbstverständlichkeit in Sachen Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Kindern. Einer ist die öffentliche, also medienbegleitete Inszenierung eines bloßen Frauenbauchs.