: Saubere Laster braucht das Land
AUS BERLIN BEATE STRENGE
Was haben Wiesbaden, Paderborn und Münster gemeinsam? Die drei Städte sind Pioniere für schadstoffarme Busse im öffentlichen Nahverkehr. Wiesbaden rüstete als erste deutsche Stadt die Busse mit Dieselfiltern nach – schon 1997. Mittlerweise fahren auch in der Hauptstadt die Busse mit Filter – rund drei Viertel des Fuhrparks. „Es funktioniert problemlos bei allen Fabrikaten“, berichtet Andreas Balling, Leiter der Abteilung Omnibustechnik der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG).
Die großen Filterzylinder im Auspufftopf, rund 90 Zentimeter lang mit 70 Zentimetern Durchmesser, sind wahre Zauberkästen für die Abgase. Selbst relativ schadstoffreiche Busse der Lkw-Normen Euro 1 und Euro 2 erfüllen damit bei Rußpartikeln, Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen die derzeit strengste EU-Norm Euro 5, die erst ab 2009 für Neufahrzeuge gilt. Nur die Stickoxide, die Vorläufersubstanzen des Sommersmog-Ozons, schaffen nicht ganz den Euro-5-Grenzwert. Leider brauchen die Filterbusse etwas mehr Sprit: etwa einen Liter mehr auf 100 Kilometer.
Andere Kommunen wollen mit Dieselfiltern nachziehen, 43 Prozent der deutschen Nahverkehrsbusse haben ihn bereits. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen macht sich für 100 Prozent stark – aber bitte mit Förderung von Bund und Ländern. Denn Nachrüsten kostet etwa 6.000 Euro pro Fahrzeug, auch neue Busse mit Dieselfilter sind teurer. Die Förderung ist möglich über das Verkehrsfinanzierungsgesetz für Gemeinden, das rot-grüne Nordrhein-Westfalen hat schon ja gesagt.
Doch was für Busse gilt und für Pkws voraussichtlich kommen wird, ist bei Lastwagen kein Thema – obwohl der Lastverkehr etwa zwei Drittel der Rußpartikel ausstößt. Ein Ärgernis für das Umweltbundesamt in Berlin: „Wir brauchen schärfere Euro-Normen bei Lkw, um die EU-Feinstaubgrenzwerte in der Luft zu erreichen“, sagt Axel Friedrich, Leiter der UBA-Verkehrsabteilung. Denn die Euro-5-Norm, die ab 2009 in Kraft tritt, kann man ohne Filter erreichen: „Diese Norm ist viel zu lasch“, sagt Friedrich. Deshalb fordert er eine neue Norm: Euro 6. Und die soll dann den Rußwert kräftig drücken: auf ein Zehntel von Euro 5, das heißt auf 2 Milligramm pro Kilowattstunde Motorleistung. Zudem soll Euro 6 nach Wunsch des UBA nicht nur die Gesamtgewichtsmasse der ausgestoßenen Rußpartikel mindern, sondern auch die Anzahl der ultrafeinen und damit besonders schädlichen Partikel. Wie man deren Zahl am Auspuff misst, wird derzeit geprüft.
Das Umweltbundesamt favorisiert dabei keine bestimmte Technik, sondern nur das strenge Abgasziel. Aber wenn das UBA mit seinen Vorstellungen halbwegs durchkäme, würde der Dieselfilter für Lkws zur Pflicht. Denn anders kann man derzeit den Ruß nicht so gründlich zurückhalten. Schützenhilfe bekommt das deutsche Umweltamt ausgerechnet vom konservativen Muskelmann aus Kalifornien. Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat gegen den Widerstand der Autohersteller ab 2007 strenge Abgasnormen für alle Dieselfahrzeuge durchgesetzt. Die dürfen dann nur etwa halb so viel Ruß herauspusten wie Euro-5-Laster. Die neuen kalifornischen Grenzwerte sind nur mit Dieselfilter zu erreichen.
Das Problem der Lkw-Nachrüstung in Deutschland ist hingegen: Noch gibt es weder Angebot noch Nachfrage. „Wir werden Lösungen finden, wenn die Nachfrage da ist“, sagt Christian Renfordt, bei der Firma HJS im sauerländischen Menden zuständig für die Busfilter. HJS steht für Hermann Josef Schulte: Firmengründer, Inhaber, Bastlertyp. Das Unternehmen bietet auch für Bagger, Baumaschinen und Gabelstapler Dieselfilter an – und verkauft sie in die Schweiz.
Inzwischen hat die Firma es zu einer Monopolstellung für Busfilter gebracht. Rund. 11.000 Omnibusse in Deutschland fahren mit ihren Filtern. Schultes neuester Hit sind Dieselfilter aus Metall statt wie bisher aus Keramik. Metallfilter sind leichter, haltbarer, recycelbar und müssen seltener gereinigt werden. Dafür bekam der Unternehmer 2003 den Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt.
Im Vergleich zu Bussen ist ein Dieselfiltersystem für Lastwagen aber komplizierter. Bei Bussen wird der Ruß automatisch beim Fahren verbrannt bei einer Abgastemperatur von mindestens 250 Grad. Die erreicht auch ein mit wenigen Fahrgästen besetzter Bus. Lkw-Abgase sind dagegen nicht immer so heiß, sondern nur bei voller Last auf der Autobahn. Die starken Lkw-Motoren bleiben kühler, wenn sie mit weniger Transportgewicht und in der Stadt fahren – vor allem die modernen sparsamen Lkws. Daher brauchen Laster eine andere, teurere Filtertechnik. Zum Beispiel kann eine Art elektrische Heizspirale den Filterzylinder erhitzen, damit der Ruß verbrennen kann. Das erfordert aber auch mehr Elektronik.
Zudem machen Filter einen gewissen Aufwand. Nach 120.000 Kilometern – bei neueren Filtern später – ist eine Reinigung fällig, weil sonst der Filter verstopft und der Bus nicht mehr fährt. Es sind aber nicht die Rußpartikel, die hängen bleiben – die werden verbrannt –, sondern Ölasche. Für den Berliner Omnibustechniker Balling ist das keine Hürde: „Etwa alle anderthalb Jahre kommt der Filter in unsere Waschanlage. Der Aufwand ist gering, die Busse müssen ohnehin gewartet werden.“
Aber die Lkw-Lobby, der Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL), hält gar nichts vor der Filtertechnik. Durch die immer strengeren Euronormen habe der Lkw-Verkehr innerhalb von nur drei Jahren – 2000 bis 2003 – seine Schadstoffemissionen um fast ein Drittel vermindert, rechnet der Verband vor. Die kommende Lkw-Norm Euro 4 – ab Herbst 2005 für Neufahrzeuge – wird die Rußpartikel noch stärker vermindern. Danach, bei Euro 5 für Lkws, bleibt die Rußnorm unverändert – und kann weiterhin auch ohne Dieselfilter erreicht werden. Die Lkw-Industrie setzt daher vorwiegend auf filterfreie Technik.