berliner briefwechsel
: Hoffentlich nicht ernst gemeint

Wer heute noch Briefe schreibt, hat sich meist nicht mehr viel zu sagen. Wenn es um wirklich Wichtiges geht, ist Telefon oder Handy das Kommunikationsmittel der Wahl – oder in der Politik das Fernsehen. Auf Papier werden allenfalls noch gespreizte Förmlichkeiten ausgebreitet, und selbst die E-Mail nutzt man meist für sekundäre Fragen, wenn man den Adressaten nicht mit einem Anruf stören will.

KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Schon das Kommunikationsmittel deutet also darauf hin, dass weder die Vorsitzenden der beiden Unionsparteien noch der Bundeskanzler mit ihren wahltaktisch motivierten Gesprächsangeboten in Sachen Arbeitslosigkeit es sonderlich ernst meinen. Und das ist auch gut so. Denn dieses Land leidet nicht unter einem Zuwenig an großer Koalition, sondern gerade an einem Zuviel an Konsenszwang.

Gerhard Schröder hat ja mit seinem Hinweis Recht, dass die Union einem großen Teil der jetzt umstrittenen Reformgesetze im vorigen Jahr noch zugestimmt hat. Vieles, was etwa in der praktischen Umsetzung von Hartz IV nun für Probleme sorgt, ist erst durch das Hin und Her zwischen Bundesrat und Bundestag in das Gesetz hineingeraten – nicht zuletzt jene Optionsklausel, die mal der Arbeitsagentur, mal den Kommunen die Zuständigkeit für die Betreuung der Arbeitslosen zuweist.

Dennoch ist hierzulande der Glaube unausrottbar, es gebe für jedes Problem eine Patentlösung. Nach dieser Vorstellung müssen die Parteien nur ihren notorischen Egoismus überwinden, damit sie endlich im Sinne des Gemeinwohls das objektiv Richtige tun. Die Wahrheit aber ist: In Fragen der politischen Ökonomie gibt es das objektiv Richtige gar nicht. Kein Mensch weiß, was gegen die Arbeitslosigkeit wirklich hilft. Schon möglich, dass die Rezepte der SPD eines Tages wirken. Kann sein, dass auch die Radikalkur der Union anschlagen könnte. Sicher ist nur: Der Mix aus beidem würde das Land nur blockieren.

Dennoch wird es dazu wieder und wieder kommen, weil das Grundgesetz die Parteien dazu zwingt. Besser als der scheinheilige Austausch von Briefen wäre es deshalb, die Parteichefs würden zum Telefonhörer greifen für die einzige Reform, die wirklich einen Konsens aller Beteiligten erfordert: für eine Föderalismusreform, die das Blockaderecht des Bundesrats beschneidet. Dann könnte die Regierung erst mal machen, und wenn’s nicht klappt, darf die Union vom Herbst 2006 an ihre eigenen Rezepte ausprobieren.