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Archiv-Artikel

Alte Partner, neue Rollen

Prozessauftakt gegen Hamburger Polizeibeamten Thomas Wüppesahl, dem die Vorbereitung eines Raubmordes vorgeworfen wird

Es sind alte Bekannte, die hier aufeinander treffen. Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten bei der Aufklärung von Verbrechen zusammen, und auch die im Schwurgerichtssaal versammelten Ermittler haben bereits Kontakt zueinander gehabt. „Hallo Herr Dr. Stechmann, so sieht man sich wieder“, ruft der Polizist Thomas Wüppesahl durch den Raum zum Staatsanwalt, und „Hey, was machst du denn hier?“, fragt er einen Polizeibeamten im Saal. Die Angesprochenen reagieren nicht auf ihn. Denn heute treffen sie in anderen Rollen aufeinander. Thomas Wüppesahl ist nicht als Kollege da. Er steht im Verdacht, einen Raubmord vorbereitet zu haben.

Dass er den Prozesssaal in der Rolle des Angeklagten betritt, spiegelt sich in Wüppesahls Verhalten nicht wider. In hellem Anzug mit Schlips gekleidet, fragt er einen Ordner nach seinem Platz, als habe er eine Karte für eine Theatervorstellung reserviert. Und je länger das Verfahren dauert, desto mehr vermittelt der 49-Jährige den Eindruck, als sei er der Regisseur der Inszenierung, die an diesem Tag geboten wird. Selbstgefällig grinst er in die Runde, seufzt noch „endlich geht es los“ und schüttelt nachsichtig lächelnd den Kopf, als ihm ein Abstecher zu einem Freund im Zuschauerraum verwehrt wird. Die Realitäten schieben sich erst wieder zurecht, als die Anklage verlesen wird.

Wüppesahl soll zusammen mit seinem Ex-Kollegen Andreas Sch. einen Überfall auf einen Geldtransporter in Berlin und die Tötung des Geldboten geplant haben. Dem angeblichen Tatplan zufolge wollte Wüppesahl dem Getöteten den Arm abhacken, um an den daran geketteten Geldkoffer zu kommen. Der Kollege, jetzt Kronzeuge der Anklage, soll auf den Plan zum Schein eingegangen sein und parallel die Polizei eingeschaltet haben (taz berichtete).

Ehe der Hauptkommissar sich äußert, will er abwarten, was der Kronzeuge zu berichten hat. Seine Verteidiger äußerten gestern Zweifel daran, dass Andreas Sch. seine Aussage so unvorbereitet und unbedarft machen wird, wie es von einem Zeugen erwartet werden muss. Denn Sch. hatte, so Wüppesahls Verteidiger Thomas Wulf, im Ermittlungsverfahren Einsicht in die Akten verlangt, um seine Aussagen vor der Polizei noch einmal zu lesen – und sich im Prozess nicht in Widersprüche zu verwickeln. Zudem, deuteten die Anwälte an, ist der Kronzeuge womöglich „nicht ganz unbeeinflusst“, sprich: von den Ermittlern auf das Verfahren vorbereitet worden.

Diesen Verdacht sahen sie gestern auch dadurch erhärtet, dass zwei Polizeibeamte mit im Prozesssaal saßen. Da einiges dafür spreche, dass der Kronzeuge „über die Aussage Wüppesahls vor Gericht informiert würde“ und seine Tatversion darauf abstimmen könnte, schweigt der Angeklagte zunächst.

Der vermeintliche Tatplan erscheint derart abstrus, dass im Vorfeld des Prozesses viel über die Hintergründe spekuliert wurde. Als mögliche Erklärung schwebt derzeit im Raum, der „Kritische Polizist“ und frühere grüne Bundestagsabgeordnete Wüppesahl könnte entweder den Verstand verloren oder von Polizei und Staatsanwaltschaft in eine Falle gelockt worden sein.

Wüppesahls Ex-Kollege von der Hamburger Beratungsstelle „Klima“ für Mobbingopfer, Alfred Fleissner, bot gestern noch eine ganz eigene Version an: Danach habe Wüppesahl die inkriminierten Gespräche mit dem vermeintlichen Komplizen bewusst in einer abgehörten Wohnung und über angezapfte Telefone inszeniert – um seine Überwachung durch die Polizei zu entlarven. ELKE SPANNER

Fortsetzung am Montag, 14. März.