: KarstadtQuelle wurde nicht von Nazis verfolgt
Gericht: Die Wertheim-Erben müssen für „arisierte“ Ostgrundstücke entschädigt werden, nicht KarstadtQuelle
BERLIN taz ■ KarstadtQuelle hat keine Ansprüche auf die Rückerstattung von in Ostberlin gelegenen ehemaligen Wertheim-Grundstücken, die während der NS-Zeit „arisiert“ worden waren. Stattdessen muss die Jewish Claims Conference (JCC) für die Nazi-Enteignungen entschädigt werden. Das hat die 31. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts am Freitag entschieden.
Schon 2001 hatte das Berliner Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (Larov) befunden, dass die Grundstücke der JCC zustehen. Der Verband hatte noch innerhalb der Rückerstattungsfristen Anspruch auf die Flächen angemeldet. Die JCC setzt sich für jüdisches Eigentum ein, wenn die Erben fehlen oder nicht schnell genug sind. In der Regel erhalten die Angehörigen, also hier die Wertheim-Erben, 80 Prozent des erstrittenen Werts.
Karstadt klagte gegen den Larov-Beschluss und argumentierte, man habe mit der Übernahme der Hertie-Kette Mitte der 90er-Jahre gewissermaßen auch die bewegte Wertheim’sche Firmengeschichte erworben und könne so Anspruch auf die Ostgrundstücke erheben, die erst nach der Wende wieder für Rückerstattungsforderungen zugänglich wurden. Hertie war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs über Umwege an Wertheim-Anteile gelangt.
Zwar sieht das Vermögensgesetz vor, dass für Flächen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Wiedergutmachung geleistet werden kann. Allerdings gehe es dabei, so der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung, um das „persönliche Schicksal“ der Geschädigten. Demnach müssen die Wertheim-Erben entschädigt werden, die indirekt von der JCC vertreten werden – nicht KarstadtQuelle. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Karstadt werde trotzdem vors Bundesverwaltungsgericht ziehen, sagte ein Unternehmenssprecher.
Rein formal wurde nur über die Verkaufserlöse aus einer auf 15 Millionen Euro taxierten Parzelle nahe dem Potsdamer Platz entschieden. Langfristig wirkt sich das Urteil aber auch auf etwa fünfzig andere umstrittene Grundstücke aus, die von den Nazis „arisiert“ und nach dem Krieg von der Sowjetunion enteignet worden waren. Schätzungen zufolge geht es um bis zu 500 Millionen Euro.
Dem finanziell angeschlagenen Essener Konzern dürften nun weitere Zahlungen bevorstehen. Die JCC macht, gestärkt durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, immer noch Ansprüche auf das Lenné-Dreieck geltend. Dort steht jetzt das Beisheim-Centre. Hertie hatte das Areal vor fünf Jahren trotz ungeklärter Rechtslage für 145 Millionen Euro an Otto Beisheim verkauft. JOHANNES GERNERT