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Archiv-Artikel

Fragwürdige Treue zu Carl Diem

Der Name Carl Diem stößt in Lindenthal nur Grünen auf. Sie fordern die Umbenennung der nach dem NS-Sportfunktionär benannten Kölner Straße. SPD und CDU drücken sich

KÖLN taz ■ Pünktlich zum 60. Jahrestag der Befreiung Kölns wird eine alte Streitfrage neu aufgerollt: Ist Carl Diem als Namensgeber für eine Straße in der Domstadt noch tragbar? Die Grünen in Lindenthal sagen „Nein“ und haben für die heutige Sitzung der Bezirksvertretung den Antrag gestellt, den Carl-Diem-Weg in „An der Sporthochschule“ umzubenennen.

Nicht zum ersten Mal. Bereits Mitte der 90er Jahre hatten die Grünen vergeblich gefordert, dass die kleine Straße in Müngersdorf nicht länger nach dem NS-belasteten Gründer der Kölner Sporthochschule benannt sein sollte. Auch diesmal droht ihr Vorstoß zu scheitern, befürchtet der grüne Bezirksvertreter Roland Schüler: „Die anderen Parteien haben keine Signale gegeben, dass sie unseren Antrag mittragen.“

Tatsächlich scheinen sich die beiden großen Fraktionen in der Lindenthaler Bezirksvertretung um einen Beschluss gegen Diem herum drücken zu wollen – wohl auch um Ärger mit der Sporthochschule zu vermeiden, die ihrem einstigen Rektor bis heute eisern die Treue hält. So räumt Bezirksvorsteherin Helga Blömer-Frerker zwar gegenüber der taz ein: „Sicherlich würde man Diem aus heutiger Sicht die Ehre nicht mehr erweisen.“ Aber, so die CDU-Politikerin, es sei trotzdem eine „schwere Entscheidung“, die Benennung nachträglich zu revidieren. Auch bei der SPD sieht man weiterhin Diskussionsbedarf. Die Sozialdemokraten wollen vorschlagen, eine breit angelegte Diskussion mit Experten und unter Einbeziehung der Bevölkerung zu starten – und das kann dauern. Auch die Sporthochschule spielt auf Zeit: „Der Rektor hat uns gebeten, den Antrag zurückzuziehen und zunächst die Erkenntnisse eines neuen dreijährigen Forschungsprojekts zur Biographie Diems abzuwarten“, berichtet Schüler.

An anderen Orten ist man da schon weiter. Zwar sind immer noch bundesweit unzählige Straßen, Plätze, Hallen und sogar Schulen nach Carl Diem benannt. Doch seit Anfang der 90er Jahre wird in vielen Städten und Gemeinden darüber diskutiert, ob der umstrittene Sportfunktionär sich tatsächlich als Namenspatron eignet. Im hessischen Hanau und im bayerischen Kempten fiel das Urteil eindeutig aus: Er eignet sich nicht. Deswegen ist in diesen beiden Städten bereits Realität, was in Köln noch aussteht: Hier gibt es inzwischen keinen Carl-Diem-Weg mehr.

In Kempten fand die Umbenennung im vergangenen Jahr statt. „Seine Verbindung zum Nationalsozialismus und seine Rede kurz vor Kriegsende sind nicht vorbildmäßig“, begründete der Kemptner CSU-Ratsfraktionsvorsitzende Erwin Hagenmaier gegenüber der taz die von einer breiten Mehrheit im Stadtrat getragene Entscheidung. In der Stadt im Allgäu heißt die Straße auf Vorschlag der CSU nun „Karl-Diem-Weg“. Was auf den ersten Blick kurios wirkt, ist eine geschickte ortsspezifische Lösung. Denn in Kempten gab es tatsächlich einen Karl Diem. Und der war im Gegensatz zu seinem mit „C“ geschriebenen Namensvetter kein williger Helfer des NS-Regimes, sondern vielmehr ein antifaschistischer Gewerkschafter und SPD-Stadtrat, der nach 1933 wegen seiner politischen Haltung von den Nazis inhaftiert worden war.

Sogar in seinem Geburtsort Würzburg ist der Rat mittlerweile von Carl Diem abgerückt. Im Oktober 2003 beschloss das örtliche Parlament, dass die größte Veranstaltungshalle der Stadt nicht länger seinen Namen tragen solle. „Diem blieb bis zuletzt bei seinem Credo vom Sport als Wehrertüchtigung“, so die CSU-Oberbürgermeisterin Pia Beckmann. Er stehe „nicht für die Zukunft des Sports, sondern für das dunkelste Kapitel in der deutschen Vergangenheit“.

Als erste Gemeinde im Rheinland entschied sich Meerbusch bei Düsseldorf 1996 zur Umbenennung einer bis dahin nach Carl Diem benannten Straße. Der Beschluss des Stadtrates erfolgte einstimmig, nachdem Peter Dohms, der Direktor des Düsseldorfer Staatsarchivs, in einem Gutachten Diem als einen Mann eingestuft hatte, „der beruflich in die Machenschaften des NS-Regimes tief ‚verstrickt‘ war“. Vor vier Jahren entschied sich Kölns Nachbarstadt Frechen dafür, die dortige Carl-Diem-Allee umzubenennen. Ebenfalls 2001 wurde auch der Carl-Diem-Weg in Düren umgetauft.

Und wie lange noch braucht Köln? PASCAL BEUCKER,SUSANNE GANNOTT