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KOMMENTAR VON RICHARD ROTHERDie S-Bahn muss radikal umdenken

Das Chaos ist eine Spätfolge der Privatisierungspläne

Spät, aber hoffentlich nicht zu spät hat der neue Bahnchef Rüdiger Grube die Reißleine gezogen – und die gesamte Führungsriege der Berliner S-Bahn, ein Tochterunternehmen der Bahn, zum Rücktritt gedrängt. Dieser Schritt war überfällig, aber er reicht nicht. Bei der S-Bahn dürfen nicht nur Führungsköpfe ausgetauscht werden, die gesamte Unternehmenspolitik muss sich radikal ändern.

Denn die skandalösen Vorgänge bei der S-Bahn, die technisch nicht vorschriftsmäßig überprüfte Züge über Berliner Gleise schickte und damit die Gesundheit von Tausenden Fahrgästen gefährdete, sind nicht nur die Folge von Managementversagen – sie sind eine Spätfolge der vom ehemaligen Chef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, forcierten Unternehmenspolitik. Sie sollte die Rendite der Bahn steigern und das bundeseigene Mobilitätsunternehmen an die Börse bringen. Koste es, was es wolle.

Deshalb hat die S-Bahn auf vielen Stationen das Aufsichtspersonal abgebaut, deshalb hat sie Werkstätten geschlossen, deshalb hat sie Ersatzzüge abgeschafft und die Preise erhöht. Das derzeitige Chaos auf den Schienen, das nach der überfälligen Intervention des Eisenbahnbundesamtes die Berliner und – imageschädigend – die Touristen nervt, ist also hausgemacht. Die S-Bahn sollte Kosten sparen, um immer mehr Profit an den Mutterkonzern abzuführen. Damit muss jetzt Schluss sein – ein für alle Mal.

Denn die Berliner und ihre Gäste brauchen keine profitable Börsen-S-Bahn, sondern eine, die sie sicher, zuverlässig und günstig durch die Stadt bringt. Wenn das Unternehmen dazu nicht in der Lage ist, muss der rot-rote Senat die entsprechenden Verkehrsverträge kündigen. Und künftige Vereinbarungen müssen wasserdicht sein: Dazu gehören penible Vorgaben der zu erbringenden Leistungen und wirksame Sanktionen bei Vertragsverstößen.

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