: „In NRW hat die NPD ein echtes Problem“
Hartwig Möller, Verfassungsschutzchef in Nordrhein-Westfalen, sagt den Rechtsextremen ein klägliches Abschneiden bei der Landtagswahl voraus. Doch materiell steht die Partei gut da – der größte Finanzier der NPD ist der Staat
taz: Herr Möller, hat der Misserfolg in Schleswig-Holstein schon Auswirkungen auf den Wahlkampf der NPD in Nordrhein-Westfalen?
Hartwig Möller: Nein, die rechtsextreme Szene macht sich in Nordrhein-Westfalen selbst etwas vor. Die Neonazis, die mit der NPD sympathisieren, hoffen tatsächlich auf fünf Prozent. Das ist abenteuerlich. Bezeichnenderweise sieht der NPD-Landesvorstand die Lage realistischer, dort werden zwei bis drei Prozent erwartet.
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Wir nehmen an, dass die NPD nicht einmal an die Zahlen von Schleswig-Holstein herankommt. Ein Ergebnis von gut einem Prozent ist realistisch.
Aber die NPD hat in NRW ihren drittgrößten Landesverband, die Partei behauptet, dort 750 Mitglieder zu haben. Das ist ein größeres Potenzial als in Schleswig-Holstein, oder?
Nein, nicht unbedingt. Wir halten diese Mitgliederzahl für zu hoch und gehen von 650 aus. Die meisten dieser Leute sind kaum politisch aktiv, sie kommen auch nicht aus der Mitte der Gesellschaft wie teilweise in Sachsen. Die Führungsfiguren sind weder persönlich noch politisch charismatisch. Der stellvertretende Vorsitzende Claus Cremer ist gerade wegen Volksverhetzung verurteilt worden.
Hat die NPD denn profilierte Kommunalpolitiker?
Sie ist mit Werten um die drei Prozent in einige Kommunalparlamente eingezogen. Durch ein besonderes Profil sind diese wenigen Politiker nicht aufgefallen. Die NPD hat ein echtes Problem damit, überhaupt genug Direktkandidaten für die Landtagswahl aufzustellen und in allen 128 Wahlkreisen die jeweils nötigen 100 Unterschriften von Unterstützern zu bekommen. Sie bedient sich dabei nach uns vorliegenden Berichten auch sehr zweifelhafter Methoden.
Benutzt die NPD die Unterschriften von Toten wie in Schleswig-Holstein?
Nein, aber es sollen Formulare teilweise abgedeckt oder von NPD-Unterschriftensammlern absichtlich unklare Angaben gemacht worden sein. Diese Unterschriften sammeln übrigens zu großen Teilen Kameradschaftsmitglieder; ohne sie stünde es noch viel schlechter um die NPD.
Sind die Kameraden für die NPD mehr als nur Unterschriftensammler?
Ja, die NPD hat auch trotz der Unterstützung durch Kameradschaftsmitglieder keine Chance, aber ohne sie wäre die Lage für die Partei völlig trostlos. Wir schätzen, dass die Partei allein nur in 80 bis 100 Wahlkreisen überhaupt einen Direktkandidaten stellen kann. Die Lücken können sie nur mit Leuten aus der Kameradschaftsszene füllen. Zudem bringen die Kameraden natürlich auch ein paar Stimmen.
Die NPD setzt im Wahlkampf auf szenebekannte KameradInnen, die ihr nahe stehen. Der Neonazi-Netzwerker Christian Worch behauptet, die Partei schlösse so den stärksten Teil der Kameraden aus. Spaltet die NPD die Militanten?
Nein, die NPD hat eher ein Annähern der Lager bewirkt. Mit Worten mag man sich noch bekämpfen, aber das ist Show. Die Taten sehen anders aus. Christian Worch hat eine große Demonstration am 1. Mai in Leipzig angemeldet und die NPD hat deshalb auf eine eigene zentrale Demonstration in Berlin verzichtet. Dass die NPD die mobilisierungsstärksten Kräfte abschreckt, kann ich ebenfalls nicht erkennen. Worchs Wunschkandidat Axel Reitz ist als Kölner Kameradschaftsführer zwar eine lokale Größe, aber für mehr hat er auch aus der Sicht der NPD nicht das Format.
Die so genannte Volksfront von NPD und DVU wird nur von der Aussicht auf Erfolg zusammengehalten. Gibt es Anzeichen, dass die Front nach Schleswig-Holstein bröckelt?
Nein, die wenigen Wochen bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen wird diese Kooperation schon noch halten. Wenn allerdings auch hier ein weiterer Misserfolg hinzukommt, ist es fraglich, ob dieses ohnehin sehr lockere Bündnis weiter Bestand hat.
Wie bewerten Sie die Rolle der DVU im Wahlkampf. Gibt der Parteichef und Verleger Gerhard Frey Geld an die NPD?
Das wäre untypisch für ihn, denn Frey investiert da, wo er sich Wahlerfolge und damit auch eine entsprechend hohe Wahlkampfkostenerstattung verspricht. Das war in Schleswig-Holstein nicht der Fall und in Nordrhein-Westfalen ist es ebenso. Nach unseren Erkenntnissen erhält die NPD die meisten Gelder aus der Parteienfinanzierung. Bis zum Herbst 2004 war die Partei klamm und hatte Probleme, Grundstücke und Häuser zu bezahlen. Mit dem Wahlerfolg in Sachsen hat sich das geändert.
Bei den „Republikanern“ in NRW gibt es starke Befürworter einer Volksfront, die Parteichef Rolf Schlierer jedoch strikt ablehnt. Könnte der Landesverband revoltieren und sich der NPD anschließen wie in Sachsen?
Nein, die Landesvorsitzende Uschi Winkelsett ist eine der treuesten Unterstützerinnen des Parteichefs Rolf Schlierer und seiner Abgrenzungslinie zur NPD. An der Basis gibt es Sympathien für die NPD, aber dies wird den Wahlkampf nicht beeinflussen. Beide Parteien werden sich gegenseitig Stimmen abjagen. Der Misserfolg für die Rechtsextremen ist also abzusehen.
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ