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Archiv-Artikel

Bischof Huber macht den Köhler

KIRCHE EKD-Vorsitzender kritisiert die Auswüchse des globalen Finanzkapitalismus und warnt vor Abbau von Sozialleistungen. Das klang vor ein paar Jahren noch ganz anders

Die Kosten der Krise sollen die Stärkeren tragen – konkreter wird die EKD nicht

VON PHILIPP GESSLER

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kritisiert die jüngsten Auswüchse des weltweiten Kapitalismus – will die soziale Marktwirtschaft aber, verändert, erhalten sehen. Das ist die Kernthese einer 26-seitigen Schrift, die der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, am Donnerstag in Berlin vorstellte. „Wie ein Riss in einer hohen Mauer“, heißt das Papier des EKD-Rates „zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise“. Angemahnt wird darin „eine sozial, ökologisch und global verpflichtete Marktwirtschaft“. Kurz vor dem G-8-Gipfel in der kommenden Woche wird „eine klare Regulierung und eine wirksame Aufsicht für alle Finanzmarktakteure und -produkte auf allen Finanzmärkten“ gefordert.

Huber schreibt: „Nicht zu leugnen ist die Gefahr, dass sich mit der Bewältigung der Krise die soziale Ungleichheit weiter verschärft, weil nach der Überbrückung durch staatliche Bürgschaften und Steuergelder zukünftige Unternehmensgewinne wieder privatisiert werden.“ Der Text beklagt „eine verbreitete Gier“ nicht nur bei Managern, „sondern in der gesamten Gesellschaft“. Als Ursachen der Krise werden „Mangel an Verantwortung, bis hin zur Verantwortungslosigkeit“ auf allen Ebenen genannt. Auch weite Kreise der Bevölkerung hätten sich am „schnellen Geld“ orientiert.

Der Rat der EKD mahnt mit Blick auf die Zukunft: „Die Kosten der Krise müssen vor allem von den Stärkeren getragen und dürfen nicht nur den nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden.“ Inwiefern dies eine derzeit diskutierte Reichensteuer oder Vermögensabgabe bedeuten könnte, bleibt in der Schrift jedoch unklar. Etwas konkreter heißt es später immerhin, die Kosten für die Bewältigung der Krise dürften „nicht über den Abbau von Sozialleistungen aufgebracht“ werden. Die auch in Deutschland beschlossenen Konjunkturprogramme seien zudem „vorrangig am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung auszurichten“, globale Institutionen zur Wirtschaftsregulierung wie der Internationale Währungsfonds seien zu stärken. Offenbar auch selbstkritisch betont Bischof Huber: „Wir mahnen zur Umkehr – spät, aber hoffentlich nicht zu spät.“

Der Text nimmt eine kapitalismuskritische Grundströmung in großen Teilen der Basis der EKD auf. Der Kirchenleitung unter Bischof Huber war vorgeworfen worden, sie stehe der Marktwirtschaft zu positiv gegenüber. Stellenweise für Empörung sorgte etwa die 2008 veröffentlichte EKD-Denkschrift zum „unternehmerischen Handeln“. Darin heißt es u. a.: „Wenn der Wettbewerb funktioniert, werden weder Konsumenten noch Arbeitnehmer ausgebeutet, und es gibt keine Diskriminierung, da derjenige, der diskriminiert, einen Wettbewerbsnachteil erleidet.“ Umstritten waren auch Aussagen Hubers vor fünf Jahren, als er die damaligen Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II – 331 Euro in Ostdeutschland – lapidar so kommentierte: „Als Grundsicherung wird das zurzeit ausreichen müssen.“

Allerdings hatten Huber und die EKD-Synode zuletzt angesichts der Finanzkrise einen kritischeren Ton angestimmt. Huber hatte etwa in einer Weihnachtspredigt 2008 das von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann ausgegebene Renditeziel von 25 Prozent als eine Form des Götzendienstes bezeichnet, das an den Tanz ums Goldene Kalb erinnere – sich später aber dafür entschuldigt.

In einer ersten Stellungnahme lobte Kerstin Griese die EKD-Schrift. Die SPD-Fraktionsbeauftragte für Kirchen unterstrich: „Wir sind uns mit der EKD einig, dass wir uns in einer Zeitenwende befinden und dass es nach dieser Krise nicht so weitergehen kann wie vorher.“