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Archiv-Artikel

Die GAL will am Hafen sparen

Nach Lektüre eines Geheimgutachtens kommt der grüne Abgeordnete Jens Kerstan zu dem Schluss, dass die Jobentwicklung im Hafen trotz Container-Booms negativ sei. Sein Rat: Der Senat solle besser in die Wissensgesellschaft investieren

Von Markus Jox

Jens Kerstan zeigte sich „sehr erschrocken“: Der GAL-Wirtschaftsexperte berichtete der Rathaus-Presse gestern über ein Gutachten der Essener Consulting-Firma Planco zur „Arbeitsplatzentwicklung im Hamburger Hafen“, das er im Wirtschaftsressort hatte einsehen dürfen. Danach ist die Zahl der hafenabhängigen Arbeitsplätze in der Metropolregion Hamburg von 174.735 Jobs im Jahr 1990 auf nur mehr 122.789 im Jahr 2001 gesunken. Während 1990 noch 18 Prozent aller Arbeitsplätze in Hamburg direkt und indirekt vom Hafen abhängig gewesen seien, so Kerstan, sei dieser Wert 2001 auf zwölf Prozent gefallen.

Den Blick in die bis dato von der Behörde unter Verschluss gehaltenen Zahlen hatte sich Kerstan nach eigenen Angaben mit einem „kleinen Tauschhandel“ erkauft – nämlich mit der Zustimmung der GAL zu einer Hafendebatte in der Bürgerschaft am Donnerstag, die von der CDU eigentlich nicht fristgerecht angemeldet worden sei. Unter der Jubelüberschrift „Im Focus dynamischer Wachstumsmärkte – Chancen und Entwicklungspotentiale des Hamburger Hafens“ soll das Plenum dann den Hafenentwicklungsplan 2005 sowie das „Hafen-Sonderinvestitionsprogramm“ beraten. Der Wirtschaftsausschuss hat die Vorlage in der vergangenen Woche bereits mit den Stimmen von CDU und SPD abgenickt. Bis 2009 will der Senat ein Gesamtvolumen von 746 Millionen Euro in den Hafen investieren, 262 Millionen Euro davon sind Teil des Sonderinvestitionsprogramms.

Trotz Container-Booms und „gigantischer Umschlagssteigerungen“ im Zeitalter vollautomatisierter Computerlager gelinge es offenbar noch nicht einmal, die bestehenden Arbeitsplätze im Hafen zu erhalten, konstatierte Kerstan. Laut eigenen Berechnungen des Grünen sind allein von 1995 bis 2001 jährlich 2.399 Jobs in Hafenwirtschaft und -industrie wegrationalisiert worden. Und selbst bei der Entwicklung der hafenabhängigen Steuereinnahmen entnahm der Politiker dem Planco-Gutachten einen deutlich negativen Trend.

Kerstans Fazit: Die „klassische Standort- und Infrastrukturpolitik“ sei gescheitert, Hamburg müsse dringend „neue Wege“ beschreiten und „die Chancen einer globalisierten Wissensgesellschaft“ nutzen. „Wir wollen nicht sagen, dass man gar nichts mehr in den Hafen investieren soll“, stellte der GALier vorsichtshalber klar. Allerdings sei längst Wissen zum entscheidenden Produktions- und Standortfaktor geworden. 100 bis 200 der geplanten Hafen-Millionen sollten deshalb „in arbeitsplatzintensive Bereiche umgeleitet“ werden. Mit dieser Summe könnten erneuerbare Energien gefördert, wissenschaftliche Institute unterstützt, Medien und Kultur gestärkt und der Gesundheitssektor entwickelt werden. Der Hafen jedenfalls werde im 21. Jahrhundert „nicht mehr der alles entscheidende Zukunftsfaktor sein“.

Zwar verfüge auch seine Fraktion nicht über fertige Antworten, aber die GAL wolle zumindest eine Debatte über die Höhe der Hafen-Investitionen anstoßen, so Kerstan. Auch würde er das Gutachten gerne intensiver studieren: „Vielleicht bekommt man das ja auch mal in die Hand gedrückt, wenn man schon sein Händchen heben soll, um 746 Millionen in den Hafen zu investieren“, so der Grüne gallig.