: Uni bald philosophielos
Bildungsressort will den Studiengang Philosophie auf ein Minimum eindampfen, der Grund: der Lehrbetrieb lohne sich nicht. Eine „absurde Einschätzung“ des Fachs, zetern Professoren
Bremen taz ■ Angehende Philosophen haben in Bremen künftig schlechte Karten. Das Bildungsressort hat jetzt beschlossen, das Philosophie-Studium im Hauptfach komplett abzuschaffen. Der Beschluss sollte bereits gestern verkündet werden. Nach Protesten erklärte sich die Behörde in letzter Minute zu einem Gespräch mit den Betroffenen bereit – und verschob die Verkündigung des Beschlusses fürs Erste.
Professoren und Studierende befürchten, dass dem Fach Philosophie mittelfristig in Bremen das völlige Aus droht. „Bremen kann keinem Fach eine 100-jährige Bestandsgarantie geben“, sagt der für Hochschulen zuständige Abteilungsleiter im Bildungsressort, Walter Dörhage. Planungen, das Fach komplett abzuschaffen, gebe es aber nicht mehr: „Wir wollen niemandem ans Leder.“ Der Rektor der Universität habe das Fach gegenüber den Behördenvertretern als unverzichtbar für alle Universitäten verteidigt.
In Philosophie, argumentiert Dörhage, gebe es nur wenige Absolventen. Außerdem würden keine LehrerInnen ausgebildet – alle Philosophie-LehrerInnen an Bremer Schulen unterrichten fachfremd oder haben anderswo studiert. Angesichts der Haushaltslage sei man zu Sparmaßnahmen gezwungen. Den mit drei Professuren kleinen Studiengang jetzt nur noch als Nebenfach fortzuführen, sei ein „Kompromiss“.
Der Sprecher des Studiengangs Philosophie, Professor Manfred Stöckler, kann diese Position nicht teilen: Es gebe in der Behörde „absurde Einschätzungen über die Philosophie in Bremen“. Dabei bringe die hiesige Philosophie hervorragende Ergebnisse im Vergleich aller Unis in Norddeutschland. Bremen habe in diesem Fach rund doppelt so viele Studienanfänger vorzuweisen wie der Durchschnitt der Nord-Unis. Mit 25 Abschlussprüfungen in 2004 bei drei Professoren stehe die Bremer Uni sehr viel besser da als etwa München, Köln oder Jena, auch sei diese Quote sehr viel besser als etwa die der Bremer Physik.
Nach dem Examen, das in Bremen – prozentual gemessen am Bundesdurchschnitt – stets besonders viele Philosophie-Studierende erreichten, wollten viele ihren Doktor machen, sagt Stöckler. Danach seien die Berufschancen überraschend gut: Von den 48 in Bremen bisher promovierten Philosophen sei kein einziger arbeitslos. Grund sei die gute Allgemeinbildung, die Übung in kreativem Denken, sowie die Fähigkeit, zu argumentieren und Probleme strukturiert zu lösen.
Ob es künftig in Bremen einmal ein kostenpflichtiges Zweitstudium mit dem Master-Abschluss in Philosophie geben wird, hängt Dörhage zufolge davon ab, ob genügend Studierende daran interessiert seien. Die aber müssten dann wohl von außerhalb kommen – falls in Bremen Philosophie, wie geplant, nur noch als Nebenfach angeboten wird.
In Osnabrück ist das Hauptfach Philosophie letztes Jahr abgeschafft worden. Inzwischen arbeite man dort bereits wieder an der Rücknahme dieser Entscheidung, sagt Arnim Regenbogen, Philosophie-Professor in Osnabrück. Es habe sich als sinnvoll erwiesen, im neuen Bachelor-Studium möglichst viele Hauptfächer anzubieten. Eine Spezialisierung solle erst im Master-Studium erfolgen.
Studiengangssprecher Stöckler weiß von „mehr als 140 E-Mails aus aller Welt“, die gegen den Streichbeschluss des Bremer Bildungsressorts protestierten. Mit dem international und interdisziplinär orientierten Studiengang verliere Bremen schließlich auf lange Sicht sogar seine einzige UNO-Institution: die in Europa neben Paris einmalige UNESCO-Abteilung für Philosophie.
Matthias Krämer