ausgehen und rumstehen : Unter Tresenbeißern
Freitag habe ich hundert Biere bei „And You Will Know Us By The Trail Of Dead“ getrunken. Eins mit jedem, den ich getroffen habe, dreißig für den grässlichen Sound, zwanzig für meinen unrock 'n' rolligen Snobismus, das überhaupt zu bemerken, und 45, um mich von den übertriebenen Posen auf der Bühne abzulenken. Hat auch geklappt. Bestens gelaunt bin ich nämlich dann zu Oma Hans hinüberstolziert, es war die Nacht der denkwürdigen Bandnamen. Oma Hans sind alte Punks aus Hamburg, die teilweise auch in Berlin wohnen, komische Perücken tragen und Dinge wie „Sei wie ein Igel!!!!“ ins Mikrofon brüllen, aber ernsthaft. Man stelle sich nur mal vor, man sei mit so einem zusammen. Hihi. Und müsste das dann jemandem gestehen, Hihihi.
Hundert Biere später (die kosten ja nix im Festsaal Kreuzberg) bin ich nach Hause gegangen. Am Samstag wachte ich auf und dachte als Erstes an „Das Haus der 1.000 Biere“, so heißt ein Alkoholfachgeschäft irgendwo in Berlin, und dann an die Zeile aus dem Gebrüder-Blattschuss-Hit, der mir längst entfallen sein sollte, sich aber immer wieder einschleicht. Aber es war gar keins schlecht von den Bierchen! Ich war wirklich krank und blieb mit Fieber zu Haus im Bett. Sonntag ging's dafür wieder rund, da waren allerdings alle meine Freunde krank, darum machte ich eine einsame Sause: Am Anfang stand das Meteors-Konzert, für das ich nicht mal den überteuerten Eintritt zahlen musste, um zu erkennen, dass ich mir auch einfach einbilden könnte, da gewesen zu sein – so extrem haben die sich schließlich in den letzten 15 Jahren musikalisch nicht entwickelt.
Ich sparte also 16 Euro und guckte mal in die niedliche MiniBar an der Graefestraße. Da saßen neun Leute und eine Thekenkraft, davon fünf Frauen, zwei mittelalte Tresenbeißer und zwei multisprachliche Problemdiskutierer. Die Frauen redeten über Bauchabsaugung (sie fanden's doof), die Tresenbeißer über eine Nick-Hornby-DVD (sic), und der Problematisierer mit dem beschissenen Englisch fragte „Do you also sink too much?“, wobei ich mir sicher bin, dass er entweder „think“ oder „sing“ gemeint haben muss, was beides gleich bescheuerte Fragen ergäbe, sodass ich vor Ohnmacht ebenfalls in den Tresen biss.
Kurz überlegte ich danach, ob ich ein Gespräch mit der Thekenkraft anfangen sollte, vielleicht mit dem Eröffnungssatz „Sind immer so viele Frauen hier?“, traute mich aber dann nicht aus Angst, es könnte in irgendeiner Hinsicht falsch verstanden werden. Abschließend besuchte ich den plektrumsammelnden (und -ausstellenden!) Chef vom „Travolta“ in der Wiener Straße, der eine kleine Elvis-Armbanduhr umhatte, die er mir mit dem Späßchen „Da kann man immer gucken, ob's schon Elv is, harhar“ vorstellte. Das überzeugte mich. Das nächste Mal bleib ich gleich im „Travolta“. JENNI ZYLKA