: Geschickt aufgestellte Schuldenfallen
Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) warnt vor vorschneller Kreditaufnahme: Oft sei die Werbung zu verlockend und die reale Zinsbelastung nicht ohne weiteres erkennbar. Wer tatsächlich Geld braucht, zahlt am ehesten drauf
VON PHILIPP DUDEK
Eine einsame Insel, strahlend blauer Himmel und ein noch blaueres Meer mit einem kleinen Segelboot: Mit diesem Plakat wirbt nicht etwa ein Reiseveranstalter für eine Südseereise, sondern eine Berliner Bank für einen Sofortkredit. Denn in Deutschland werden Bankkredite schon längst nicht mehr nur aufgenommen, um ein neues Haus zu kaufen oder eine Unternehmensgründung zu finanzieren. „Viele Verbraucher bekommen den Eindruck, dass sich alle Wünsche problemlos über Kredite sofort und unkompliziert erfüllen lassen“, sagte Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) gestern in Berlin. Die massive Werbung für Kredite sei mitverantwortlich für die millionenfache Überschuldung deutscher Privathaushalte.
Erst in der vergangenen Woche hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass die Zahl der Haushalte, die wegen Überschuldung ihre Rechnungen nicht bezahlen können, von 1999 bis 2002 um 13 Prozent auf 3,13 Millionen zugenommen hat.
Rund 530 Millionen Euro steckt die Kreditwirtschaft jährlich in Werbung, heißt es in einem von Künast vorgestellten Gutachten des Instituts für Grundlagen und Programmforschung. „Dieses Werbegeschäft muss sich für die Banken natürlich lohnen“, sagte Dieter Korczak, der Autor der Studie. Ergebnis: Viele Banken beraten immer weniger individuell und gehen stattdessen verstärkt automatisiert vor. Hinzu kommt, dass viele Verbraucher wegen schlechter finanzieller Allgemeinbildung Lockangebote und ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit nicht richtig einschätzen können: Laut Korczak haben lediglich fünf Prozent der Deutschen ausreichende Finanzkenntnisse, um die Folgen einer Kreditaufnahme tatsächlich abschätzen zu können: „Für den normalen Kreditnehmer ist es sehr schwer zu erkennen, wie teuer ein Kredit für ihn wirklich ist.“ So würden in der Regel rund 12 Prozent Zinsen anfallen, auch wenn mit 5,5 Prozent geworben werde.
In dem Gutachten wird auch kritisiert, dass die Risikoeinstufung von Kunden und damit die tatsächlichen Kreditkosten für die Verbraucher völlig intransparent seien. „Bei einer Prüfung der Kreditwürdigkeit haben die Kreditinstitute eine Reihe von K.O.-Kriterien eingeführt, die eine Kreditvergabe von vornherein ausschließen oder sehr verteuern“, sagte Korczak. Darunter fielen unter anderem Arbeitslosigkeit oder das Fehlen eines eigenen Einkommens, andauernde Überziehung des Girokontos sowie eine negative Schufa-Auskunft. Die Informationen werden auf so genannten Scorecards gesammelt, die wiederum die Grundlage für die Entscheidung bilden, ob und zu welchen Konditionen jemand einen Kredit bekommt – in der Regel haben gerade die, die ihn am nötigsten haben, entweder gar keine Chance oder müssen entsprechend hohe Zinssätze bezahlen.
Künast forderte die Banken auf, ihre Vergabekriterien transparent zu machen und mit Krediten verantwortungsvoll umzugehen. Den Verbrauchern riet sie, sich das nötige Basiswissen anzueignen. In der Europäischen Union wird seit Jahren über eine Richtlinie beraten, die Menschen bei der Kreditaufnahme besser schützen soll, Künast will die Ergebnisse des Gutachtens nun dort einfließen lassen. Bis es so weit ist, sollten Verbraucher Kredite nur zurückhaltend und erst nach sorgfältiger Rechnung aufnehmen sowie auf jeden Fall die Konditionen verschiedener Banken vergleichen.
Empfehlenswert seien Kredite mit festen Zinsen und vorher festgelegten Raten, variable Kredite sind in der Regel teurer und können bei Schwierigkeiten zu weiterer Geldaufnahme verleiten. Das aber nannte Künast als feste Regel: Schulden sollten auf keinen Fall mit neuen Schulden beglichen werden.