: Ein Besuch bei ängstlichen Gastgebern
Der ukrainische Staatschef Juschtschenko will in Berlin über Reiseerleichterungen für seine Landsleute sprechen. Warum nicht, sagt die Union. Doch SPD und Grüne, eingeschüchtert durch Joschka Fischers Visa-Affäre, bleiben vorsichtig zurückhaltend
VON LUKAS WALLRAFF
Er wird viel Beifall bekommen. Wenn der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko heute im Bundestag spricht, ist Festtagsstimmung angesagt. Es kommt der Held der „orangenen Revolution“, den alle Parteien in Deutschland ganz toll finden.
Schon gestern, bei der Begrüßung in Berlin, schwärmte Bundespräsident Horst Köhler: „Für die Ukraine hat eine neue Zeit begonnen.“ Dass Juschtschenko eine Rede im Bundestag halten darf, was vor ihm erst 23 Ausländer durften, sei „zunächst einmal eine Verbeugung vor der demokratischen Revolution in der Ukraine“, sagte auch Fritz Kuhn, der neue außenpolitische Sprecher der Grünen. Juschtschenkos Auftritt habe aber „natürlich auch eine innenpolitische Dimension“. Und die heißt: Visa.
Die fehlerhafte Visa-Politik des grünen Außenministers Joschka Fischer und die Empörung der Union über den „massenhaften Visa-Missbrauch“ in der Ukraine dominieren seit Wochen die Schlagzeilen. Kuhn hofft, dass sich das ändert, jetzt, durch Juschtschenkos Auftritt. „Er wird einiges an Klarstellung bringen“, so Kuhn zur taz. „Man kann die Ukrainer nicht im Dezember zu Freiheitshelden erklären und sie im Februar/März aus innenpolitischen Gründen unter Generalverdacht stellen, wie es die Union getan hat.“ Ein Vorwurf, den der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger zurückwies. „Gegen die Ukraine hat bei uns niemand etwas“, sagte Pflüger. Gestern erst habe die Unionsfraktion beschlossen, dass man der Ukraine „eine europäische Perspektive“ geben sollte.
Juschtschenko selbst gab zu verstehen, dass er sich mehr als warme Worte wünscht. Sein Land wolle in die EU, sagte Juschtschenko, und er kündigte an, mit Kanzler Schröder über eine Lockerung der Visabestimmungen für sein Land sprechen zu wollen. Visa-Erleichterungen? Ausgerechnet jetzt? Dieser Wunsch bringt SPD und Grüne gehörig in die Klemme. Sie wissen, wie schwierig und teuer Reisen nach Deutschland für Ukrainer inzwischen wieder sind, seit die Vorschriften 2003 verschärft wurden. Doch die grüne Abgeordnete Michaele Hustedt, Mitglied der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, ist vorsichtig geworden: „Vor dem Hintergrund der momentan hysterischen Debatte wird man wohl kaum Erleichterungen bei den Visa anbieten können.“ Sie würde sogar „dringend davon abraten“, sagte Hustedt der taz, „weil die Bild-Zeitung das sofort wieder aufgreifen würde, nach dem Motto, die Grünen haben nichts dazugelernt.“ Auch die Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentarier, Jelena Hoffmann (SPD) erwartet „jetzt keine einseitigen Schritte Deutschlands“. Es wäre besser, so Hoffmann, „wenn wir im Rahmen der EU dieses Bestreben nach Visa-Erleichterungen unterstützen.“
Bei so viel rot-grüner Vorsicht fällt es der Union leicht, sich großzügig zu geben. „Der aufgedeckte Missbrauch darf nicht dazu führen, dass wir unsere Grenzen dichtmachen“, sagte Pflüger. Wissenschaftler, Manager, Studenten die Einreise zu erleichtern, sei „auch in unserem Interesse“. Ukrainer sollten ruhig kommen, befand Rühe, es müssten nur „die Richtigen“ sein.