: Kohl gibt den Affen Zucker
Bei ihrer Feier zum 60-jährigen Bestehen in Köln beklatscht die CDU ihren Altkanzler Helmut Kohl.NRW-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers beschwört das „christlich-abendländische Menschenbild“
VON PASCAL BEUCKER
Der Festredner war voll in seinem Element. „Wenn ich diese dümmlichen Gestalten in der Berliner Politik von heute sehe...“, giftete Helmut Kohl zur Gaudi des Publikums über die rot-grüne Bundesregierung. „Wir haben nicht die gleiche Ausbildung wie manche, die durch die Gassen Frankfurts gerannt sind und mit Steinen geworfen haben“, geiferte der frühere CDU-Bundesvorsitzende in Richtung Joschka Fischer. Und außerdem: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt einen Außenminister gehabt, der sich so durch die Geschichte gelogen hat wie der.“ Ja, das kam an bei seinen rund 1.200 Parteifreunden, die sich im Gürzenich versammelt hatten. Immer wieder unterbrachen sie die launige Rede des 75-Jährigen mit frenetischem Beifall.
„60 Jahre CDU – Verantwortung für Deutschland und Europa“ lautete der Titel des Festakts, zu dem die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung am Dienstag Abend in Kölns „gute Stube“ eingeladen hatte. Doch auch wenn sich nicht nur CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma angestrengt darum bemühte, an der Legende von jenen Männern und Frauen zu stricken, die unmittelbar nach der Befreiung Kölns am 6. März 1945 nichts anderes zu tun gehabt haben sollen, als bereits über „konkrete Pläne“ zur Gründung der CDU zu beratschlagen: Mit einem konkreten historischen Ereignis in der christdemokratischen Parteigeschichte hatte der gewählte Termin nichts zu tun – die lagen alle später. Dafür aber viel mit einem noch ausstehenden Datum: der NRW-Landtagswahl am 22. Mai. Auf die galt es einzustimmen.
Angesichts der aktuellen Umfragen nicht gerade unberechtigt, wittern die Christdemokraten nach 39 Jahren in der Opposition an Rhein und Ruhr zurzeit Morgenluft: „Wir haben jetzt in der Nase ein Gefühl über den Verstand hinaus: Diesmal klappt es!“, gab sich Kohl prophetisch. Kämpferisch forderte er: „Gehen Sie auf die Straße und sagen Sie den Sozialdemokraten und Grünen einfach: Es ist Zeit.“ Er jedenfalls freue sich darauf, für Jürgen Rüttgers „jetzt in den Wahlkampf zu gehen und noch mal richtig zu sagen, wo es langgeht“.
Zuvor hatte der CDU-Spitzenkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten das „christlich-abendländische Menschenbild“ beschworen. Die CDU müsse sich wieder auf ihre „weltanschauliche Identität besinnen“, so der christdemokratische Hoffnungsträger Jürgen Rüttgers. „Wir müssen gerade heute daran festhalten, dass es Wahres und Falsches gibt, dass es Gutes und Böses gibt.“ Böse seien beispielsweise Vorstellungen von einer multikulturellen Gesellschaft: „Multi-Kulti ist nicht menschlich, sondern hart und grausam.“
Doch eine Reduktion seiner Rede auf derartige Floskeln würde Rüttgers Unrecht tun. Denn dem vorgeblich historischen Anlass und dem Ort entsprechend, hatte er auch durchaus Unterhaltsames zu bieten: So zitierte er ausführlich aus Konrad Adenauers Universitätsrede vom März 1946 über „Freiheitliche Demokratie auf christlicher Grundlage“, die auf Rüttgers „immer einen ungeheuren Zauber“ ausgeübt habe.
Zurecht, denn tatsächlich sind manche der damaligen Worte in dieser Rede des „Alten aus Rhöndorf“ wirklich bedenkenswert: „Sie können den Dom retten, ihm eine würdige Umgebung schaffen, die Stadt sich wieder lagern lassen an dem herrlichen Rand unseres Rheinstroms. Sie dürfen unter keinen Umständen zulassen, dass der Hauptbahnhof an dieser Stelle bleibt, denn sonst bleibt die Verkrüpplung dieser Stadt ewig.“ Ob Jürgen Rüttgers im Falle seines Wahlsiegs die notwendigen Konsequenzen ziehen wird?
Die Grünen haben übrigens inzwischen von Helmut Kohl gefordert, sich für seine Ausfälle gegen Außenminister Joschka Fischer zu entschuldigen. Mit der Beschimpfung des Außenministers habe der Altkanzler „alle Regeln des Rechtsstaates und des politischen Anstandes eklatant verletzt“, erklärte der außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Fritz Kuhn. Kohl wird‘s nicht weiter scheren.
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