Watschen vom Presserat

Es herrscht die Meinungsfreiheit: Die Braunschweiger Zeitung erhält wegen ihrer Berichterstattung über das Einkaufszentrum mit Schlossfassade im Ort eine Rüge, die Liebedienerei des Blattes bleibt ohne Folgen

„Rüge gegen unsere Zeitung“ schlagzeilte die Braunschweiger Zeitung gestern. Ausführlich unterrichtet sie auf fast einer ganzen Seite über einen Rüffel des Deutschen Presserates gegen das Blatt. Nicht nur die Offenheit der einzigen Lokalzeitung aus Braunschweig, auch der Inhalt der Rüge des Presserats verwundern.

Verdient hätte der Monopolist Kritik wegen tendenziöser Berichterstattung über ein Projekt, das in Braunschweig höchst umstritten ist: Der Bau eines 200 Millionen Euro teuren Einkaufszentrums mit den Fassaden des einstigen Welfenschlosses. Während sich viele Händler, Umweltschützer wie Architekten gegen das Projekt des Hamburger Projektentwicklers ECE im Schlosspark aussprechen, stellte sich das Blatt gerne eindeutig hinter die Mall – und damit auch auf Seiten des CDU-Bürgermeisters Gert Hoffmann.

Weil jedoch Meinungsfreiheit herrscht und Liebedienerei jedem freisteht, griff der Presserat wegen eines recht banalen Verstoßes „gegen die journalistische Sorgfaltspflicht“ zu seinem schärfsten Schwert, der Rüge. Auch zwei nichtöffentliche „Missbilligungen“ wurden ausgesprochen. Das Blatt habe „immer wieder von einer Rekonstruktion und einer Kopie des Schlosses gesprochen“, erklärte das Gremium. Dies sei jedoch „falsch und für die Leser irreführend, weil die geplante Wiederherstellung eines eher zweidimensionalen Bauobjekts tatsachenwidrig als dreidimensionaler historischer Baukörper dargestellt werde“. Chefredakteur Paul-Josef Raue erwiderte dem beruhigt, seine Zeitung habe „expliziert angesprochen, dass die Fassade des Schlosses rekonstruiert wird“. Natürlich betont Raue, in den bislang 1.300 Artikeln zum Thema seien alle Seiten „ausführlich zu Wort“ gekommen. In einem Kommentar wirkt sein Vize Armin Maus beleidigt: Ob dem Presserat denn bewusst sei, „dass er in einer politischen Auseinandersetzung Partei nimmt, während unsere Zeitung beide Seiten gleichermaßen zu Wort kommen ließ.“ Die Entscheidung des Rats, der sonst gerne Springer-Blätter aufs Korn nimmt, halte er „für falsch“.

„Wir sind begeistert“, meint hingegen Nicole Palm vom „Forum für den Erhalt des Schlossparks“. Endlich habe eine der beim Presserat eingegangenen Beschwerden Erfolg gehabt. Mehrfach sei mit der Zeitung über ihre Berichterstattung gesprochen worden, Leser hätten Abos gekündigt. Aus ihrer Sicht lautete die bislang schlimmste Schlagzeile: „Gericht: Schloss in Braunschweig darf gebaut werden“. Palm: „Das war im Mai, als das Verwaltungsgericht das Bürgerbegehren gegen das ECE-Zentrum ablehnte.“ Über 24.000 Unterzeichner hatten sich gegen den Bau ausgesprochen. Dabei hat jüngst ein Gericht entschieden, dass die Mall so nicht gebaut werden darf, weil sie zu dicht am Nachbargrundstück geplant ist.

Kai Schöneberg