: Klammer Schutzwall
Viele Infos, wenig Geld: Das jüdische Online-Magazin „haGalil.com“ wird leider nicht mehr staatlich finanziert
Die Appelle klingen dramatisch – aber genauso ist die Lage: haGalil.com, nach Eigenauskunft „das größte jüdische online-Magazin in deutscher Sprache“, steht vor dem Aus. „Der ‚Aufstand der Anständigen‘, ausgestattet mit immerhin 200 Millionen Euro (!), finanziert lieber Buntstifte für Davidsternchen und Filmabende für Eingeweihte“, warnen im Internet die Onlineredakteure des Magazins, die vor allem im Münchener Raum leben. „Ein riesiges, im Internet 24 h täglich abrufbares Bildungs- und Informationsangebot zum Judentum bleibt auf der Strecke.“
Tatsächlich ist haGalil (Hebräisch für: Galiläa) ein für das jüdische Leben in Deutschland kaum zu überschätzendes Diskussions- und Informationsforum. Rund 300.000 Personen besuchen die Seiten monatlich. Wichtiger aber ist seine Wächterfunktion: So war es haGalil.com, das die antisemitische Rede des früheren CDU-Abgeordneten Martin Hohmann als Erstes publiziert und damit den Skandal initiiert hatte.
Das Onlinemagazin versteht sich als „Schutzwall“ gegen Antisemitismus im Netz – wie haGalil-Herausgeber David Gall erläutert: Da es kaum Wissen über das Judentum in Deutschland mehr gebe, verbreite sich (getarnte) antisemitische Propaganda recht leicht im Netz. Da steuert haGalil gegen, indem es auf 15.000 htm-Seiten kostenlose und seriöse Informationen zum Judentum anbietet und so via Masse rechte Hetze verdrängt. Zudem liefern die haGalil-Mitarbeiter der Polizei Hinweise über antisemitische Websites.
Diese Hauptarbeit leisten drei fest angestellte und etwa 20 freiberufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter – bisher. Denn haGalil ist de facto pleite und kann seit Januar keinen Lohn mehr zahlen. Der Grund: Die indirekte staatliche Förderung wurde nach vier Jahren eingestellt. Etwa 90 Prozent der Einnahmen von haGalil stammten von Beihilfen des Bundesfamilienministeriums im Zuge des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie“.
Allerdings erhielt haGalil die Förderung nicht direkt, sondern über den Berliner Verein „Tacheles Reden e. V.“ Diesem Bildungsverein gegen Antisemitismus überwies das Ministerium schätzungsweise mehrere zehntausend Euro pro Jahr für das Programm „OR – Licht. Bildung gegen Antisemitismus“; „Tacheles Reden“ und haGalil erhielten davon je die Hälfte.
Im Laufe der nun mehrjährigen Zusammenarbeit aber kam es nun zu Differenzen darüber, was mit diesem Geld zu tun sei, wie Gall erläutert: Während haGalil weiter (nur) den Internetauftritt gestalten wollte, unternahm „Tacheles Reden“ zunehmend auch andere Aktivitäten, etwa eine Filmreihe. Deshalb beschloss man, getrennte Wege zu gehen: „haGalil e. V.“ wurde gegründet. Doch für eine weitere Förderung war ein „Trägerwechsel“ nötig, weg von „Tacheles“ hin zu „haGalil e. V.“
Das Familienministerium aber wollte den „Trägerwechsel“ auf „haGalil e. V.“ nicht mitmachen und stellte deshalb die Förderung ein. Eine Sprecherin des Ministeriums nennt die Entscheidung zwar bedauerlich, sieht aber derzeit keine Möglichkeit für eine weitere finanzielle Unterstützung. PHILIPP GESSLER