Schwere Panne bei Zentralabitur

Kurz vor Schluss der Korrekturphase senkt die Bildungsbehörde das Bewertungsniveau für Abi-Klausuren ab. Lehrer an Gymnasien und Gesamtschulen befürchten „Bewertungs-Chaos“ und ungerechte Benotung der Schüler

von Kaija Kutter

Hamburgs Abiturienten müssen in diesem Jahr erstmals an einem Zentralabitur teilnehmen. Auch die Korrektur ist neu geregelt, zum ersten Mal erhält ein so genannter Zweitkorrektor vollständig anonymisierte Arbeiten und bespricht sich nicht mit dem Lehrer, der die Schüler unterrichtet. Wie jetzt Pädagogen berichten, ist die Durchführung des Zentralabiturs zumindest im Fach Biologie gescheitert. Denn nachdem deutlich wurde, dass die Anforderungen zu hoch waren, hat jetzt die Bildungsbehörde die Notbremse gezogen und die Anforderungen gesenkt – allerdings zu spät.

Lehrer befürchten nun, dass es zu einem „Bewertungs-Chaos“ kommt. Denn als die Behördenansage kam, saßen die Erstkorrektoren bereits seit 14 Tagen an den Klausuren und hatten bis zum Abgabetermin am 24. Februar nur noch zwei Nachmittage Zeit. Ein Lehrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, warnte gegenüber der taz: „Es ist wenig wahrscheinlich, dass alle Arbeiten neu bewertet wurden. In zwei Tagen schafft keiner 20 Klausuren.“ Wenn nun nicht alle Bio-Arbeiten neu geschrieben oder neu korrigiert würden, könnten Schüler gegen ihre Note klagen.

Die Behörde hatte neben den Aufgaben auch einen „Erwartungshorizont“ vorgegeben, der detailliert formuliert, ab welcher Leistung der Schüler welche Punkte bekommt. Wobei vom Niveau her zwischen der Wiedergabe des Wissens und dessen Anwendung bis hin zum Transfair auf neue Problemstellungen unterschieden wird.

In der Bio-Klausur wurde neben den Themen Evolution und Ökologie auch die Genetik drangenommen. Offenbar wurde dabei den Abiturienten an einigen Schulen zu viel abverlangt, gemessen an dem, was sie vorher im Unterricht gelernt hatten. Der Vorwurf der Lehrer: Es wurde den Schulen zu wenig Zeit gelassen, um Lehrer und Schüler auf die neuen Anforderungen der Einheitsprüfung vorzubereiten.

Arnor Becker, der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands Hamburg (DLH), hatte bereits Mitte Februar gegenüber dem Sender NDR 90,3 „von Problemen“ bei den Bioklausuren berichtet und erklärt, in den Genetik-Aufgaben hätten sich Fehler eingeschlichen, weshalb die Aufgabe kaum zu lösen gewesen sei. Thomas John, ein Sprecher der Bildungsbehörde, wies das seinerzeit zurück. Es habe keinen sachlichen Fehler bei der Bio-Aufgabe gegeben. Lediglich im Fach Mathematik hätte es einen Zahlendreher gegeben, der aber vor Austeilen der Arbeiten korrigiert worden wäre.

Dennoch wurde die Behörde offenbar aktiv. Schriftliches gibt es nicht über diesen Vorgang. Doch nach taz-Informationen teilte die Schulaufsicht am 21. Februar den Gesamtschulen telefonisch und den Gymnasien auf einer Schulleiterversammlung mündlich mit, dass bereits bei der ersten Korrektur das Bewertungsschema nicht mehr gilt.

Bildungsbehördensprecher Alexander Luckow bestätigte, dass sich bei der Gentechnik-Aufgabe nach Rückmeldung aus „einigen Schulen“ die Erwartung der Aufgabensteller „nicht erfüllt“ habe. „Zentrale Aufgabenstellungen“ seien nun mal im Vergleich zu dezententralen ein „offenes Verfahren“.

Deshalb seien die Schulen angewiesen worden, hier die Korrekturrichtlinie „mit deutlichem Gewicht neben dem Erwartungshorizont in Anschlag zu bringen“, so Luckow wörtlich. Da dies allen Gymnasien und Gesamtschulen mit Oberstufen „rechtzeitig“ mitgeteilt worden sei, könne keine „Ungleichbehandlung“ gesehen werden.