: „Das Land kann nicht mehr“
Land und Bagis wollen die unabhängigen Arbeitslosen-Beratungsstellen abwickeln. Dabei gab es noch nie so viele Arbeitslose wie heute. Für die Empfänger der vielen falschen ALG-II-Bescheide wird es dann noch schwerer, ihr Recht durchzusetzen
bremen taz ■ Seit Wochen wird um die Rettung von drei unabhängigen Arbeitslosenberatungen verhandelt. Bislang vergeblich. Spätestens im kommenden Jahr droht den insgesamt elf BeraterInnen der Waller Arbeitslosenberatung Agab, des Arbeitslosenzentrums Tenever und der Bremen Norder „Arbeit und Zukunft“ nun selbst die Arbeitslosigkeit.
Für ihre Klienten dürfte das besonders bitter werden, denn die Einrichtungen waren bislang die letzte neutrale Anlaufstelle, um unverständliche Behördenformulare zu verstehen, die zahlreichen fehlerhaften Arbeitslosengeld II-Bescheide zu entschlüsseln – und überhaupt ihre Rechte gegen hartleibige Behörden notfalls per Widerspruch oder Anwalt durchzusetzen. Doch nun soll der Haushaltsposten von 450.000 Euro gestrichen werden, der die Beratungseinrichtungen bislang absichert.
Nach Auskunft der Grünen Arbeitsmarktpolitikerin Silvia Schön fehlen den drei Beratungseinrichtungen bereits im laufenden Haushaltsjahr zusammen rund 80.000 Euro aus dem Landeshaushalt. Die Fehlsumme könnte höher ausfallen, wenn sich dadurch auch Zuschüsse aus EU-Mitteln reduzieren. Der Sprecher von Arbeitssenatorin Karin Röpke (SPD) bestätigte gestern diese dramatische Entwicklung. Doch sei das Geld knapp. „Das Land kann nicht mehr“, so Klaus Krancke. Das Arbeitsressort sehe „die Bagis in der Verpflichtung.“
Tatsächlich bekommt die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis), eine kommunale Gesellschaft aus Arbeitsagentur und Sozialzentren, rund 78 Millionen Euro jährlich aus Bundesmitteln, um die 63.000 Bremer Arbeitslosengeld II-EmpfängerInnen zu betreuen. Doch lehnt sie ab, die Arbeitslosenberatungen zu finanzieren. „Wir dürfen laut Gesetz keine offene soziale Beratung oder Projekte fördern“, erklärt Bagis-Sprecherin Angela Wessel. Die Bagis-Fallmanager sollten selbst Beratung und Integration Arbeitsloser in Arbeit vorantreiben. Nur auf die integrativen Projekte für Frauen, Migranten und Jugendliche werde die Bagis „vorerst zugreifen“.
Letzte Hoffnungen richten sich nun auf die Durchsetzungskraft dreier Bremer Staatsräte. Sie stellen im Bagis-Verwaltungsrat die Hälfte der sechs entscheidenden Köpfe. „Ich erwarte, dass die Staatsräte sich für den Erhalt der Beratungsstellen einsetzen“ fordert die Grüne Schön. „Am Geld kann es doch ausnahmsweise nicht liegen.“ Schließlich müsste die Bagis von ihren 78 Millionen Euro ja nicht einmal Personalkosten bestreiten.
„Die unabhängige Arbeitslosenberatung in Bremen einzustellen, wäre eine Katastrophe“, sagt auch Stefan Wichmann von der Solidarischen Hilfe. Der Verein berät Verschuldete und Arbeitslose. Sein Etat wurde vor Jahren auf einen Mietzuschuss von 11.000 Euro pro Jahr gekürzt. „Der ist jetzt auch in Gefahr.“
„Unabhängige Arbeitslosenberatung ist eine staatliche Aufgabe“, fordert Gabi-Grete Kellerhoff vom bedrohten Arbeitslosenzentrum Tenever. Offen spricht sie aus, was viele denken: Die Beratungsstellen platt zu machen, sei möglicherweise eine Antwort auf deren unbequeme Arbeit.
„Wir verwahren uns gegen den Verdacht, dass wir unliebsamen Kritikern den Geldhahn zudrehen wollen“, sagt dazu Angela Wessel von der Bagis. In der Sache bleibt sie hart: „Wir bedauern die existenzielle Entwicklung – aber wir sind die falschen Ansprechpartner.“ Eva Rhode