: Frühjahrskur gegen rechts
Kameradschaftsverbot, Terroristenurteil, Landserprozess: Justiz und Politik griffen in den letzten Tagen hart durch gegen rechts. Doch dieser Aktionismus beseitigt das eigentliche Problem nicht
VON ASTRID GEISLER
Was für ein ungewohntes Treiben diese Woche: Gerade hatte man sich an das Grundrauschen der Politiker-Floskeln im Kampf gegen rechts gewöhnt, da tut sich plötzlich etwas. Und wie. Tag für Tag, Schlag auf Schlag, man kommt schon kaum noch mit. Erst sprechen Potsdamer Richter eine Gruppe rechtsextremer Nachwuchsbrandstifter als Terroristen schuldig, dann einigen sich die Bundestagsparteien auf ein schärferes Versammlungsrecht, die Nachricht ist kaum verhallt, da verbietet der Berliner Innensenator im Morgengrauen zwei Neonazi-Kameradschaften; und während die Kameraden in der Hauptstadt noch den Schreck verarbeiten, verurteilen die Bundesrichter in Karlsruhe schon die nächste rechtsextreme Kultfigur – Michael Regener, den Sänger der rechtsextremen Musikgruppe „Landser“.
Das bundesweite Frühjahrsgroßreinemachen gegen rechts – zeitlich ist es zweifellos ein Zufallsergebnis. Inhaltlich nicht. Egal ob Richter, Fraktionschef oder Innensenator, die Signale klingen gleich. Nicht-so-schlimm-Finden war gestern, jetzt wird durchgegriffen.
Da kann man grundsätzlich nur gratulieren. In jedem der Fälle gibt es gute, wenn nicht zwingende Gründe, das Treiben der Rechtsextremen mit Hilfe des Gesetzes zu stoppen oder wenigstens in engere Schranken zu weisen. Wenn militante Neonazis wie in Berlin einen Polizeidirektor terrorisieren, darf die Gesellschaft nicht zusehen. Wenn Jugendliche ihre Region systematisch ausländerfrei flämmen wollen, sollten Richter hart urteilen. So viel zur schönen, zur lobenswerten Gemeinsamkeit.
Doch mit Symbolpolitik und Signalen ist es oft wie mit Silvesterböllern: Knallt laut, sieht klasse aus – bringt aber nichts. So macht sich die Verschärfung des Versammlungsrechts gewiss hübsch in der Anti-rechts-Jahresbilanz der Parteien, und die Türme von Nazi-Plunder auf den Kripofotos sehen wirklich nach einer erfolgreichen Razzia in der Berliner Kameradschaftsszene aus. Fragt sich nur, ob diese Signale gegen rechts tatsächlich wirken, wen sie erreichen sollen und wer sie wirklich hört.
Zweifellos als Signal taugt das Potsdamer Gerichtsurteil. Es macht Schluss mit der Legende von den Lausbubenstreichen pubertierender Teenies. Eltern und Nachbarn, Kumpels und Lehrer, die nichts sehen wollten, müssen sich jetzt mit dem Gedanken anfreunden, Terroristen gedeckt zu haben. Vielleicht darf man sogar mehr hoffen: Dass sich andere, von der Neonazi-Szene faszinierte Schüler abschrecken lassen. Weil sie nicht mit 17 Jahren den Stempel „Terrorist“ in ihren Lebenslauf gesetzt bekommen wollen. Dass Eltern wenigstens aufschrecken, wenn der Nachwuchs mit Brandbeschleuniger im Kofferraum zum Döner-Essen fährt.
Solche Hoffnungen lassen sich indes bei keiner anderen Anti-rechts-Aktion dieser Woche halten. Im Gegenteil. Aufmärsche zu organisieren, mit frisch polierter Glatze durch Innenstädte zu ziehen, gehört fest zum Freizeitprogramm deutscher Neonazis. Daran wird auch das schärfere Recht nichts ändern. Es wird den Rechtsextremen die schönsten Film- und Fotokulissen nehmen, sie in hässliche Seitenstraßen verdrängen. Das Bedrohungspotenzial von rechts schrumpft dadurch nicht.
Das gilt auch für die Kameradschaftsverbote. Vielleicht vermissen die militanten Rechtsextremen die beschlagnahmten Flaggen, Shirts und Pamphlete. Aber natürlich wissen sie, wo man eine neue Hakenkreuzfahne herbekommt. Und Hardliner, die sich im Dienst einer nationalen Revolution wähnen, lassen sich von einem Verbot nicht schrecken. In ihren Internetforen verbreiten die Kameraden schon wieder Aufbruchstimmung. Tenor: Zwei Namen sind verboten, der Kampf geht weiter. Das dürfte – leider – nicht nur Wunschdenken sein. Wiederholt wurden in den vergangenen Jahren Neonazi-Trupps verboten, die Zahl der Kameraden ist gleichzeitig gestiegen.
So verständlich das „Landser“-Urteil ist, angesichts von Texten wie „Kanaken, Zecken, all der Dreck, der kommt schon bald für immer weg“. Die Signalwirkung ist in diesem Fall besonders prekär. Denn das BGH-Label „kriminell“ dürfte den Marktwert der Songs in der Szene nur steigern: Je verbotener, desto härter, desto geiler. „Landser“ hat jetzt quasi das höchstrichterliche Qualitätssiegel.
Eine Woche Frühjahrsputz gegen rechts – und jetzt? Man muss kein Miesmacher sein, um zu urteilen: Viel gebracht hat’s nicht. Kein Wunder, eigentlich. Denn die Ideen, die Überzeugten, die Empfänglichen – sie sind alle noch da. Und alle drei sind in der Regel gegen symbolkräftige Aktionen ähnlich resistent wie gegen das Grundrauschen aus dem politischen Raum.