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Archiv-Artikel

Show oder effektive Kampagne?

Viele Vereine engagieren sich gegen Rassismus und für Toleranz – der bekannteste ist „Gesicht zeigen!“. Er organisiert die „Aktionswoche gegen Rassismus“, nicht ohne Kritik aus eigenen Reihen

VON ANNA STARK

„Kann man sich als Ausländer noch trauen, nach Deutschland zu kommen? Diese Frage muss in Zukunft wohl hoffentlich niemand mehr stellen.“ Das hatte vor fünf Jahren Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, gehofft. Mit dem damaligen Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye und Moderator Michel Friedman gründete er schließlich den Verein „Gesicht zeigen!“. Damals hatte es zahlreiche rechtsextremistische Übergriffe gegeben: Hetzjagden, eine brennende Synagoge in Düsseldorf und Anschläge auf Asylbewerberheime. „Es war der Sommer des Aufstands der Anständigen und einfach an der Zeit, im großen Rahmen aktiv zu werden“, erklärt Rebecca Weis, die Geschäftsführerin, die Entstehung des Vereins.

Jährlich organisiert Weis mit ihren MitstreiterInnen die Aktionswoche gegen Rassismus. Sie wollen zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus stärken. Mit einigen Kampagnen wurde Aufsehen erregt: zum Beispiel mit Werbespots wie „Flächenbrand“, den Begegnungsprogrammen „meet an immigrant“ und der Entwicklung pädagogischen Materials für Schulen.

Auffälliger als andere Initiativen machte den Verein von Beginn an das große Aufgebot prominenter Unterstützer, die sich für seine Projekte engagieren: zum Beispiel „Die Ärzte“, die „Guano Apes“, Iris Berben, Günther Jauch und Anne Will. „Im Moment können wir pro Jahr mit 20.000 Euro Spenden rechnen. Im Jahr der Gründung war es das Zehnfache“, sagt Valerie Thiesmeyer, ebenfalls Geschäftsführerin von „Gesicht zeigen!“.

Schon 1998 hatte sich eine andere Initiative gegründet, die „Amadeu-Antonio-Stiftung“. Anetta Kahane, die Vorstandsvorsitzende, erinnert sich mit gemischten Gefühlen: „Ich empfand das als wenig unterstützend für unsere kleine Stiftung. Aber Herr Heye wollte wohl was Eigenes. Es ist schade, dass wir nicht zusammengearbeitet haben.“ Inhaltlich gäbe es kaum Berührungspunkte, aber finanziell sieht Anetta Kahane den Verein zwangsläufig als Konkurrenz: „Wir haben nicht diese Wucht von Rot-Grün im Rücken.“ Das sei kein Vorwurf, vielmehr Kritik an der Wirtschaft, die so wenig und einseitig spende.

„Grundsätzlich finde ich jeden Verein, der sich engagiert, begrüßenswert“, sagt Simone Rafael, Redaktionsleiterin der Internet-Plattform „Mut gegen rechte Gewalt“. „Alles, was Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt, ist sinnvoll. Und Promis eignen sich da eben. Da ist nichts gegen einzuwenden.“ Kenan Kolat, Geschäftsführer des Türkischen Bunds in Berlin-Brandenburg, sieht das ähnlich: „Gesicht zeigen! ist einer der wichtigen Vereine, die sich mit konkreten Projekten für Menschenrechte, Minderheiten und Zivilcourage einsetzen, und das finde ich natürlich sehr gut.“ Offiziell wird in der „Szene“ der bundesweite Vorzeige-Verein nur gelobt. Doch hinter vorgehaltener Hand ist Kritik zu hören. Der bundesweite Verein sei wenig vernetzt, seine Aktionen seien zwar sehr öffentlichkeitswirksam, aber für den Alltag der von Diskriminierung und Gewalt Betroffenen hätten sie keinerlei Bedeutung. Diese Kritik wird auch im Hinblick auf andere Stiftungen und Vereine geübt, aber „Gesicht zeigen!“ mit seinem Aufgebot an Promis steht durch die erhöhte Medienaufmerksamkeit deutlich im Mittelpunkt – und damit in der Kritik. Moniert wird auch, dass sich die Aktivisten untereinander eher Konkurrenz machten, als dass Synergie-Effekte erzeugt würden. Aus Sicht einiger von Rassismus Betroffenen seien diese Aktionen eher „eine große Show – mehr nicht“.

Laut einer Studie des Konflikt- und Gewaltforschers Wilhelm Heitmeyer ist diese schweigende Mehrheit erschreckend groß. 60 Prozent der Deutschen sind danach der Meinung, es lebten hier zu viele MigrantInnen. 69 Prozent ärgern sich, „dass den Deutschen heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werden“ – und von diesen 69 Prozent zählen sich immerhin mehr als die Hälfte zur politischen Mitte.