: Bald gehen die Hosen runter
SPD und Grüne haben recht spät erkannt, dass Managergehälter ein tolles Wahlkampfthema sind. Das wollte man nicht der CDU überlassen
AUS BERLIN HANNES KOCH
Auf der einen Seite tun deutsche Manager supermodern, auf der anderen Seite wollen sie nicht über Geld reden. Jedenfalls nicht über ihr eigenes. Während in den USA jede Aktie, die ein Vorstand verkauft, veröffentlicht werden muss, wollen hierzulande viele Vorstände von Aktiengesellschaften von der Transparenz der Managergehälter gar nichts wissen. Zum Beispiel die Axel Springer AG: Vorstand Matthias Döpfner erklärte noch gestern, die Chefgehälter würden nicht veröffentlicht. Und auch der Autobauer BMW widersetzt sich.
Dabei ist die Sachlage völlig klar. Aktiengesetz und Selbstverwaltungskodex der Wirtschaft sagen: Die „angemessenen“ Gehälter der Vorstände von Aktiengesellschaften sollen „individualisiert veröffentlicht“ werden – damit sich Bürger und Aktionäre ein Bild machen können. Doch der Argumente dagegen sind viele. Eines der beliebtesten: Der Vorstandsvorsitzende könne keine Personalpolitik mehr machen, wenn alle Vorstandsmitglieder voneinander wüssten, was sie verdienen.
Was bisher nur bindende Empfehlung war, soll nun jedoch bald zum Muss werden. Gestern erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), dass in Kürze ein Gesetz die Veröffentlichungspflicht regeln werde. Dann müssen die Chefs der rund 1.000 an deutschen Börsen notierten Aktiengesellschaften verraten, wie viel Fixgehalt sie bekommen und wie hoch ihre Prämien, Aktienoptionen und ihre Altersversorgung sind.
Eigentlich wollte Zypries kein Gesetz. Die Selbstregulierung der Wirtschaft sei besser, lautete ihr Credo. Da aber nur 20 von 30 der großen Konzerne und nur rund 30 Prozent der kleineren AGs die Gehältertransparenz eingeführt haben, entschloss sich Zypries jetzt zu der Zwangsmaßnahme.
Davon musste die Bundesjustizministerin erst von ihrer SPD-Fraktion überzeugt werden. Auch die Grünen hatten ein Gesetz gefordert (siehe Interview). Denn sie alle hatten erkannt, dass sie der Union sonst ein schönes Wahlkampfthema schenken würden. Die Stimmung in der Bevölkerung erschnuppernd, hatte CSU-Chef Edmund Stoiber zuvor geklagt, dass die hohen Managergehälter eine Schande seien – eine, gegen die Rot-Grün nichts unternehme, wohlgemerkt.
Dass selbst Stoiber hellhörig wurde, zeigt, dass es zunächst um ein Problem ging, das allgemein aufregte. Viele Deutsche waren während des Mannesmann-Prozesses 2004 darüber empört, dass Exvorstand Klaus Esser eine 30-Millionen-Mark-Abfindung einstreichen wollte. Und zwar dafür, dass er seinen Konzern zerlegt und verkauft hatte. Der Prozess machte vielen schmerzlich bewusst, was sonst noch im Lande ablief: Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich und Stellenstreichungen bei vielen deutschen Konzernen. Auf diese explosive Stimmung musste die Politik reagieren.
Parallel dazu herrschte schlechte Stimmung in der Business-Community. Die Wirtschaftswoche brachte eine interessante Übersicht heraus, der zufolge deutsche Manager im Vergleich zum Wert ihres Unternehmens mehr verdienten als ihre US-Kollegen. Investmentbanker, die große Aktienpakete deutscher Unternehmen verwalten, stellten sich die Frage, ob man sich das weiter leisten solle.
Demzufolge machte der SPD-Abgeordnete Olaf Scholz gestern klar: „Wir handeln im Interesse der Eigentümer.“ Und seine Kollegin Nina Hauer sagt: „Wir führen keine Neiddebatte.“
Aus diesem Bestreben ist denn auch die merkwürdige Regelung zu verstehen, dass die Aktionäre einer Gesellschaft auf der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit beschließen können, die Vorstandsgehälter nicht zu veröffentlichen. International gibt es kein Vorbild für eine solche Regelung.
So bald wird man allerdings nicht erfahren, wie viel einzelne Manager verdienen. Die entsprechenden Angaben werden erst in den Geschäftsberichten für das Geschäftsjahr 2006 enthalten sein, die Anfang 2007 erscheinen. Trotzdem sind die Unternehmer schon jetzt beunruhigt. BDI-Chef Jürgen Thumann bezweifelte gestern, dass Aktionäre tatsächlich so dringend wissen wollen, was ihre Manager verdienen: „Dafür trägt jetzt der Gesetzgeber die Beweislast.“