: Ein-Euro-Jobber machen Schule
In immer mehr NRW-Schulen entstehen Ein-Euro-Jobs. Der Bochumer Schul-Personalrat klagt jetzt gegen den Einsatz von Arbeitslosen in der Schule: Diese würden keine Zusatzjobs verrichten
VON MIRIAM BUNJES
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entscheidet in den nächsten Wochen über eine Debatte, die zur Zeit in zahlreichen Kommunen für Streit sorgt: Ob und wie dürfen Ein-Euro-Jobber in Schulen eingesetzt werden? Außerdem sollen die Richter klären, ob die von der Agentur für Arbeit Zwangsverpflichteten Mitbestimmungsrechte an ihren Arbeitsstellen haben.
Gegen die Stadtverwaltung Bochum hat in der vergangenen Woche der Bochumer Schul-Personalrat geklagt. „Die Aufgaben, die von Ein-Euro-Jobbern an den Schulen übernommen werden, sind nicht zusätzliche, wie das Gesetz es vorschreibt“, sagt Personalratsvorsitzender Gert Schäfer. Sie sollen Computer warten, naturwissenschaftliche Versuche aufbauen und Schülergruppen betreuen. Das seien alles Aufgaben, die sonst Lehrerinnen und Lehrer neben ihrer Lehrtätigkeit erledigten. Dass die jetzt von pädagogisch nicht ausgebildeten Ein-Euro-Jobbern übernommen werden, hält Schäfer für rechtswidrig. „Ich weiß, dass viele Kolleginnen und Kollegen an den Schulen überlastet sind, und dass wir mehr Personal gebrauchen können“, sagt der Personalrat. Das sollten aber reguläre Stellen sein und keine Jobs, die alle paar Monate von jemand anderem erledigt würden. Außerdem müsse der Personalrat an den Einstellungen beteiligt werden. „Es ist weder klar, welche Rechte noch welche Pflichten die Ein-Euro-Jobber an den Schulen haben“, sagt Schäfer. Wenn sie an derart wichtigen öffentlichen Aufgaben wie der Kindererziehung und -ausbildung beteiligt würden, müssten sie auch personalrechtlich in die Schulen eingebunden werden.
Eine Forderung, die sich jetzt auch der Landesverband der Gewerkschaft für Erziehung und Bildung (GEW) auf die Fahnen geschrieben hat. „Die Personalräte der Schulen müssen die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen, wer an den Schulen eingestellt wird“, sagt Norbert Müller, stellvertretender Vorsitzender der GEW. „Wir brauchen pädagogische Kompetenz an den Schulen, um endlich aus der Bildungsmisere herauszukommen. Unqualifizierte Ein-Euro-Jobber können die Leistungen unser Schüler wohl nicht verbessern.“
Auch für die Ein-Euro-Jobber sei das Betätigungsfeld Schule nicht sinnvoll. „Sie werden hier an der Schule doch nicht für den ersten Arbeitsmarkt qualifiziert. Für Lehrer Hilfstätigkeiten auszuführen, ist schließlich kein richtiger Beruf.“ Zwar würden demnächst durch die landesweite Schließung der Horte tausende ErzieherInnen arbeitslos. Es könne aber nicht sein, dass die sich dann als Ein-Euro-JobberInnen in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen wieder finden. „Das ist menschenverachtend und zeigt, dass es im Schulbereich eigentlich Bedarf an mehr Stellen gibt.“
„Alle so genannten Ein-Euro-Jobs sind zusätzliche Jobs. Die Schulen funktionieren wunderbar auch ohne diese Stellen“, betont Christian Komberg von der Bochumer Arbeitsagentur. „Und für die Beschäftigten ist der Job auch dann eine Eingliederungshilfe, wenn er sie nicht direkt auf den ersten Arbeitsmarkt führt. Allein, dass sie wieder einen regelmäßigen Tagesablauf haben, hilft ihnen wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.“ Für schulische Mitbestimmungsrechte fühlt sich die Agentur nicht zuständig. Und die Schulverwaltung schiebt diese Verantwortung weiter an die Bildungsträger, die die Qualifizierungsmaßnahmen für die Ein-Euro-Jobs koordinieren. „Wir haben hier nur eine beratende Funktion, die Rechtsbeziehung besteht zwischen den Bildungsträgern und den einzelnen Schulen“, sagt Schulverwaltungsamtsleiter Ulrich Wicking. Der Klage gegen die Stadtverwaltung sieht er gelassen entgegen. „Ein Euro-Jobs sind keine richtigen Arbeitsverhältnisse, sondern lediglich kurzfristige Arbeitsgelegenheiten. Da hat der Personalrat kein Mitspracherecht.“ In Bochum sind bereits 60 Ein-Euro-Jobs an Schulen eingerichtet worden, bis zum Sommer sollen weitere hundert dazukommen.
Das Ergebnis der Musterklage wird landesweit mit Spannung erwartet. „Ein-Euro-Jobs an Schulen sind pädagogisch nicht sinnvoll, weil das Personal oft wechselt“, findet auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Sylvia Löhrmann. „Wir müssen ein Ausbildungssystem für Schulassistenten schaffen und entsprechende Stellen an den Schulen ermöglichen.“ Geld könne aus dem Budget für die offenen Ganztagsschulen fließen.