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Archiv-Artikel

Swingendes Hirn

Mit einem Lächeln für das Unbekannte verabschieden sich Jan Lauwers und „Isabella‘s Room“ vom Schauspielhaus

Das Gastspiel der belgischen Needcompany im Deutschen Schauspielhaus hatte gleich mehrere Abschiede zu beklagen. „Isabella‘s Room“ ist eine Hommage des Leiters Jan Lauwers an seinen 2002 verstorbenen Vater Felix. Ein Zimmer voll gestopft mit Geheimnis umwobenen Fetischobjekten aus dem fernen Afrika. Isabella wie auch Felix Lauwers sind Kinder des vorigen Jahrhunderts.

Den Aufzug der Moderne haben sie erlebt, sowie zwei Weltkriege überstanden und die Ablösung kolonialer Reiche verschmerzt, und damit den Verlust romantischer Sehnsüchte an etwas Ursprüngliches, Wildes, in dessen unbewusstem Schatten sich Traum und Realität überlagern, hinter dem sich so manche Lebenslüge verstecken lässt.

„Laugh and be gentle to the unknown“, lautet allerdings das Motto, unter dem sich die Needcompany mit der wundervollen Viviane de Muynck in der Rolle der Isabella unsentimental und doch berührend mit Humor des Stoffes annehmen.

Bevor die neun Performer das Geheimnis um „Isabella‘s Room“ einzukreisen beginnen, verabschiedet sich Jan Lauwers vom Schauspielhaus und damit vorerst von Hamburg. In den vier Jahren seiner Intendanz hatte Tom Stromberg die Ausnahmegruppe immer wieder an sein Haus geholt. Lauwers Inszenierung mit dem Schauspielhaus-Ensemble Ein Sturm war zwar grandios gescheitert, die Gastauftritte mit seinen eigenen Leuten dafür umso heftiger umjubelt. Auch für die Voraufführung von „Isabella‘s Room“ hatte der Regisseur vor knapp einem Jahr das Schauspielhaus gewählt.

Wie Marktschreier preisen die Darsteller eingangs die verehrten und gehassten Objekte an, unterlegt mit dem einen oder anderen wilden Tanz. Eine Schar von Individualisten agiert da auf der überhäuften Bühne, schlüpft in Personen aus Isabellas abenteuerlich gelebtem und erdachtem Leben, ermächtigt sich ihrer abgespalteten Bewusstseinslagen in Gestalt zweier Tänzerinnen als springende, anmutig wirbelnde Hirnhälften.

Was die versprengten Aktionen im Inneren zusammenhält ist neben de Muyncks unerschütterlicher Präsenz die einzigartige Musikalität der Truppe, die das Spektakel in einem gemeinsamen Singen und Swingen immer wieder verdichtet und erhebend durch den Abend trägt. So ernüchternd die Geschichte ausgeht, so verzaubert ist am Ende der Zuschauer, berührt von einem unbändigen Lebensgefühl, das da heißt: „We go on, go on, go on.“ Marga Wolff