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Archiv-Artikel

Verkorkster Seebär

Sentimentale Endzeitstimmung: Becketts Monodrama „Das letzte Band“ am Thalia in der Gaußstraße

Die isolierte Existenz hat sich auf den endgültigen Dachboden zurückgezogen. Auf einen solchen schickt auch Regisseur Kai Ohrem die Zuschauer in Becketts Monodrama Das letzte Band, das derzeit im Thalia in der Gaußstraße zu sehen ist. Da hockt Krapp (Hartmut Schories) vor einer Schar Zuschauer resigniert zwischen den Holzbalken. Inmitten allerlei von Patricia Talacko beschafften Tonbandmaschinen, die bei manchem Zuschauer Erinnerungen an eine selige analoge Kindheit wachrufen dürften.

Für Krapp allerdings enthält der Bandsalat wenig Gutes. Über Jahrzehnte hat er seine Emotionen und Gedanken auf verschrumpelte dünne Bänder gesprochen. Von der Beschaffenheit seines Stuhlgangs über eine Flussfahrt und Poetologisches bis zum Abschied von seiner großen Liebe reicht die Palette.

Zum Abschied von der Liebe überhaupt. Sachlich formuliert er sein Scheitern. Genauso regungslos, wie er diese Sätze einst aufgenommen hat, hört er sie jetzt an. Und auch das nicht seit gestern: „Hörte mir soeben den albernen Idioten an, für den ich mich vor 30 Jahren hielt.“ Sein irreparabel verwirktes Leben erfährt längst keine Fortsetzung mehr. Das Einzige, was dieses atmende Etwas am Leben erhält, ist der unaufhörliche, einseitige Dialog mit der Ich-Maschine.

Schories tappt gleich einem alten Seebär zwischen all der Technik umher. Hört mal hier hinein. Lauscht dort. Macht sich einen Jux und lässt eine Bananenschale auf einem Tonband kreisen. Hantiert mit dem Bandsalat wie mit Luftschlangen zu Karneval. Nimmt sein eigenes Schmatzen auf, das sich überlaut einen Weg durch die Stille bahnt. Unaufhörlich wühlt er wie ein Maulwurf in seinem Material. Ein Schriftsteller auf der Suche nach dem verlorenen Ich.

Becketts Endzeitreflexion Das letzte Band ist eine traurige Abrechnung mit einem verkorksten, verfehlten Leben. Mit verpassten Gelegenheiten. Die Prinzipien der Langsamkeit und der Wiederholung fordern heraus. Wenn Krapp am Schluss die Bänder zerstört, ist es, als würde er sich endlich selbst auslöschen. Auch keine abwegige Vorstellung in einer Zeit, in der so mancher sein Leben auf kleinen Silberlingen archiviert. Vielleicht auch nur, um eines Tages mit dem Leben offiziell aufzuhören. Ein kleines sentimentales Stück Theater. Von Hartmut Schories unsentimental dargeboten. Erleichtert applaudiert das Publikum. Froh, nicht dieser Krapp zu sein.

Caroline Mansfeld

nächste Vorstellung: Fr, 25.3., 19 Uhr, Thalia in der Gaußstraße