: Ein Fall für den Ombudsrat
Sozialgericht billigt drastische Kürzung der Tagespflege-Sätze durch Hartz IV. Fachleute sehen Kinderbetreuung in Hamburg bedroht: Allein in Altona könnten 250 Kinder ihre Plätze verlieren. Betroffene rufen Hartz-Wächter in Berlin um Hilfe an
von Eva Weikert
Für Hamburger Tageseltern und ihre Schützlinge sieht die Zukunft düster aus. Davor warnt der Rechtsanwalt Jörg Käding. Grund für seine Sorge ist ein aktueller Gerichtsbeschluss von vergangener Woche. Im Streit um ihre Bezüge als Tagesmutter hat eine Mandantin Kädings eine Niederlage vor dem hiesigen Sozialgericht einstecken müssen. Die Frau ist gegen die Stadt und die Arbeitsagentur vor Gericht gezogen, weil sie die drastischen Kürzungen ihrer Bezüge durch das neue Hartz IV-Gesetz nicht hinnehmen wollte.
Kädings Mandantin bekommt für ihre wöchentlich 50-stündige Betreuung von vier Kindern 422 Euro Erziehungsgeld im Monat. Davon muss sie die Kosten für die Verpflegung und Beschäftigung ihrer Schützlinge bezahlen. Da die frühere Sozialhilfebezieherin seit Januar als arbeitslos gilt und damit Empfängerin von Arbeitslosengeld II (ALG II) ist, wird das Geld dennoch von ihrer „Grundsicherung“ abgezogen: Anders als früher ist der Aufwandsersatz für die Kinderbetreuung (siehe Kasten) aus Sicht des Gesetzgebers nunmehr „Einkommen“, welches mit der Stütze zu verrechnen ist. Von den verbleibenden 181 Euro muss die allein erziehende Klägerin nicht nur sich selbst, sondern auch ihre eigenen beiden Kinder über Wasser halten.
Weil durch die neue Anrechnungspraxis den Tageseltern fast kein Geld für Essen, Klopapier, Ausflüge oder Bastelmaterial für ihre Schützlinge bleibt, sehen sich viele Betreuer gezwungen, in die Suppenküche zu gehen oder die von ihnen betreuten Kinder abzugeben. Käding: „Wenn die Politik nicht interveniert, droht die Tagespflege drastisch zu schrumpfen.“
Denn rund 100 Tageseltern in Hamburg erhielten bis zum Start des Hartz-Arbeitsmarktgesetzes ergänzend Sozialhilfe und gelten nun als „arbeitsfähig“ und damit als ALG-II-Empfänger. Dem Hamburger Arbeitskreis Tagespflege zufolge drohen deshalb allein in Altona rund 250 Kinder ihre Betreuer zu verlieren.
Käding hatte vor Gericht im Eilverfahren geltend gemacht, Tageseltern hätten eine Funktion wie Pflegepersonen, deren Pflegegeld nach dem Gesetz nicht auf die Stütze angerechnet werden darf. Zudem werde auch der vergleichbare Erziehungsgeldbetrag leiblicher Eltern nicht vom ALG II abgezogen.
Das Gericht ließ sich von dieser Argumentation aber nicht überzeugen. Es sei „sachgerecht“, das Erziehungsgeld der Tageseltern als anspruchsmindernd zu bewerten, urteilte der Richter, da es den „Charakter eines Honorars“ trage. Zwar ist das Hauptverfahren noch nicht entschieden, in dem das Gericht über den Widerspruch gegen die gekürzte Leistung zu entscheiden hat. Die Richtung jedoch ist durch die Entscheidung im Eilverfahren bereits vorgegeben.
Dass die Tagesmütter nun so viel weniger für ihre Arbeit bekommen, ist nicht nur für sie selber ein Problem. Auch im Interesse der Kleinen sei die Neuregelung nicht, warnt der Anwalt: Steht weniger Geld zur Verfügung, werden sie auch schlechter versorgt. Ebenso wenig „können die Jugendämter, die das Tagespflegegeld rausgeben, damit einverstanden sein, dass ihr Geld für Hartz IV verwendet wird“. Dass seine Mandantin für die „sozialpolitisch wertvolle“ Tagespflege jetzt fast 50 Prozent weniger Grundsicherung bekomme, sei ein „Unding“ und laufe dem vom CDU-Senat erklärten Ziel, die Tagespflege auszubauen, „komplett zuwider“.
Käding will für seine Mandantin Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss einlegen. Die Frau selbst plant mit anderen Betroffenen, den vom Bund eingesetzten Ombudsrat zur Überwachung von Hartz IV um Hilfe anzurufen.