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Archiv-Artikel

Weihnachten wieder im Fahrplan

VERKEHR Das Chaos bei der S-Bahn wird noch Monate anhalten. Der Betriebsrat fordert die Wiedereröffnung einer alten Werkstatt. Die BVG will zusätzliche U-Bahnen einsetzen

„Wir stellen uns auf eine langfristige Zusammenarbeit mit der S-Bahn ein“

KLAUS WAZLAK, BVG-SPRECHER

VON PAUL WRUSCH

Mit Entspannung bei der S-Bahn ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen – es wird eher noch schlimmer werden. Mitarbeiter des Unternehmens gehen davon aus, dass die Einschränkungen im Nahverkehr noch Monate dauern werden. „Bis der alte Stand wiederhergestellt ist, kann es Jahresende werden“, sagte Enrico Forchheim, Ortsvorsitzender der Gewerkschaft der Lokführer Berlin, am Dienstag der taz. S-Bahn-Betriebsratschef Heiner Wegner vermutet, dass das Chaos sich sogar noch ausweiten wird. „Jeden Tag sind weniger Züge im Einsatz, weil wir die vorgeschriebenen Überprüfungsfristen nicht einhalten können.“

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hatte vergangene Woche fast 400 Wagen – gut ein Drittel des Fuhrparks – wegen versäumter Sicherheitsprüfungen aus dem Verkehr gezogen. Seitdem ist der S-Bahn-Verkehr auf zahlreichen Strecken eingeschränkt. Das Führungsteam des Unternehmens wurde daraufhin abgesetzt. Mittlerweile sind „eine Handvoll Anzeigen“ gegen die einstige Geschäftsführung bei der Staatsanwaltschaft eingegangen, wie ein Sprecher bestätigte. Begründung: Die S-Bahn sei ihrer Verpflichtung gegenüber dem EBA nicht nachgekommen; es könne sich um einen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr handeln.

Um das Chaos abzumildern, fordert Betriebsrat Wegner die neue Geschäftsführung auf, die 2006 geschlossene Werkstatt Friedrichsfelde wieder zu öffnen. Das sei innerhalb einer Woche möglich. „Uns fehlt es an Stellplätzen in den verbliebenen Werkstätten“, erklärte er. Ab August müssen viele Radachsen der betroffenen Züge zudem doppelt so oft kontrolliert werden; dann werde noch mehr Arbeit auf die Werkstätten zukommen.

Damit die Berliner in den kommenden Wochen und Monaten nicht weiter in völlig überfüllten S-Bahnen schwitzen müssen, verlangen Fahrgastverbände kurzfristige Lösungen. „Der Mutterkonzern Deutsche Bahn (DB) muss einspringen und den Regionalverkehr im Stadtgebiet verstärken“, sagte Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands Igeb. Auch Frank Böhnke vom Deutschen Bahnkundenverband sieht die DB in der Pflicht. „Es könnten Fernzüge am Bahnhof Zoo halten und auf bestimmten Pendelstrecken Nahverkehrstickets für Fernzüge gelten.“

Vonseiten der Deutschen Bahn und der Berliner S-Bahn gab es am Dienstag keine konkreten Stellungnahmen. Eine Sprecherin verwies auf das Maßnahmenpaket, welches in dieser Woche vorgestellt werden soll.

Am Montagabend hatten sich die Führungsspitzen von S-Bahn und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) getroffen, um über Hilfen zu verhandeln. Handfeste Ergebnisse gab es nicht. „Die S-Bahn braucht anscheinend kein Werkstattpersonal von uns. Wir haben aber wenigstens zwei Prüfgeräte ausgeliehen“, erklärte BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Darüber hinaus würde die BVG versuchen, kurzfristig einzuspringen und einige Linien zu verstärken, etwa bei Großveranstaltungen wie der Leichtathletik-WM Mitte August. „Insgesamt stellen wir uns auf eine langfristige Zusammenarbeit ein“, so Wazlak.

Betriebsrat Wegner bangt um die Zukunft der S-Bahn. „Die in der Führungsebene, auch die Neuen, haben keine Ahnung vom Bahnmachen, das sind alles geklonte Typen vom Potsdamer Platz“, sagte er verärgert. Die „Lebensader der Hauptstadt“ würde vor die Wand gefahren, nur weil die Deutsche Bahn maximale Gewinne einstreichen will. Tatsächlich: Während 2004 die Gewinnerwartung der DB an die Berliner S-Bahn bei 17,7 Millionen Euro lag, erwartet der Konzern im laufenden Geschäftsjahr eine Rendite von 87,7 Millionen Euro.