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Archiv-Artikel

Eine Frage der Würde

Bei der Drecksnest-Debatte greift Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) zu Sarkasmus

Von bes

So furchtbar rußig ist Braunschweig nun doch auch wieder nicht – so lässt sich sinngemäß das Statement des Baustadtrates Wolfgang Zwafelink zusammenfassen. Was nicht verwunderlich ist: Wenn einer Stadt vorgeworfen wird, die höchste Feinstaubkonzentration im bundesweiten City-Vergleich zu haben, pflegen die Verantwortlichen zu sagen, dass sie das Problem im Griff haben. Und überhaupt, dass die desaströsen Werte auf die besondere Situation der Messtation zurückzuführen sind, die eben an einem besonders rußigen Platz aufgebaut wurde: „kein Drecksnest“ sei die Stadt, zitiert die Braunschweiger Zeitung Zwafelink.

Erstaunlich daran ist, dass sich die Äußerungen als ausgezeichneter Humus einer lokalpolitischen Posse erwiesen haben: Das lag daran, dass Bundes-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die Ergebnisse mit Sorge zur Kenntnis genommen hatte – weshalb der Baustadtrat seine Stellungnahme mit Kritik an dessen Amtsführung verbunden hatte.

Unerhört, befanden die Braunschweiger Grünen und verlangten eine Entschuldigung. Ein solcher Umgang mit einem Bundesminister sei Negativwerbung für die Stadt. Was wiederum den Oberbürgermeister Gert Hoffmann, einst NPD, heute CDU und nicht dafür berühmt, seine Kritiker wertzuschätzen, in eine unerwartete Position rutschen ließ: Hoffmann profilierte sich per Pressemitteilung als Verteidiger der freien Meinungsäußerung. „Um die Würde der Stadt und die des Ministers Trittin umgehend wiederherzustellen hat Dr. Hoffmann“, heißt es dort, „in der Dezernentenkonferenz verfügt, dass Kritik an Bundesministern unwürdig und daher ausdrücklich zu unterlassen“ sei. Zudem werde er „prüfen, ob überhaupt Kritik an den Grünen mit deren Würde und der der Stadt vereinbar“ sei. Unterstellt man, dass diese Äußerungen tatsächlich ironisch gemeint sind, ist das ein über die politische Biografie Hoffmanns hinaus bedeutsames Dokument: Es besagt, dass der Sinneswandel vom rechtsextremen Spektrum in Richtung eines wahren Demokraten nicht völlig ausgeschlossen ist. bes