: „Zeller kann keinem wehtun“
Derzeit entsteht eine CDU-interne Koalition gegen den Landesvorsitzenden Joachim Zeller, sagt der Politologe Gero Neugebauer. Politik in der CDU verlaufe weiterhin nach Westberliner Spielregeln. Ein Konzept für Wahlkampf fehle
taz: Herr Neugebauer, alles ist so schrecklich unübersichtlich. Jetzt sagen Sie bitte: Worum streitet die Berliner CDU?
Gero Neugebauer: Die Frage ist nicht, worum, sondern wer. Alles in dieser Partei dreht sich um Arrangements zwischen Personen, nicht um politische Positionen. Das Ziel ist der Machterwerb oder -erhalt. Und derzeit entsteht eine CDU-interne Koalition gegen den Landesvorsitzenden Joachim Zeller.
Warum?
Zeller repräsentiert faktisch alte Machtverhältnisse. Als quasi geduldeter Vorsitzender hat er nicht die Macht, die verschiedenen Flügel der Landes-CDU unter einen Hut zu bringen. Das hat sich auch im Skandal um den Umgang mit dem 8. Mai gezeigt. Doch braucht die Partei unter anderem dringend ein einheitliches Image nach außen, bevor der Abgeordnetenhaus-Wahlkampf für den Herbst 2006 richtig beginnt. Viele CDU-Funktionäre trauen Zeller diese Leistung nicht mehr zu, und andere – wie die der mitgliederstarken Westbezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf – wollen das nicht.
Ist der Ostdeutsche Zeller den alteingesessenen Westberlinern zu liberal?
Zeller ist kein nationaler Konservativer. Zwar hat er Edmund Stoiber unterstützt, als der argumentierte, dass die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung der NPD in die Hände spiele, aber zuerst auch die Nähe von CDU und NPD verurteilt. Insgesamt findet Zeller jedoch zu keiner eindeutigen Haltung. Er kann keinem wehtun, weil er faktisch keine Macht hat. Zeller hat mit dem Kreisverband Mitte nur eine kleine Hausmacht im Rücken.
Hat sich seit der Wiedervereinigung denn nichts in der Berliner CDU getan?
Schauen Sie sich an, wer in der Partei reale Macht hat. Das sind die Westbezirke. Dort sitzen die Hüter der Traditionen und Strukturen. Eine Ausnahme ist der 29-jährige Mario Czaja, der Chef in Marzahn-Hellersdorf. Aber auch der hat schnell gelernt, das Politikgeschäft nach Westberliner Regeln zu spielen.
Und was wird aus dem glücklosen CDU-Landesvorsitzenden beim Wahlparteitag Ende Mai?
Eine Wiederwahl Zellers kann ich mir nur als Arrangement wegen seiner Popularität vorstellen. Zeller könnte als Berliner Spitzenkandidat der CDU für die Bundestagswahlen Ende 2006 aufgestellt werden. Danach wäre ein ehrenvoller Abgang möglich.
Jahrzehntelang hatten Eberhard Diepgen und sein Strippenzieher Klaus Landowsky das Sagen im Landesverband. Welche Macht haben die beiden noch?
Diepgen hat noch Freunde in der Partei, aber nicht mehr genug Sympathisanten. Es ist eine Generation nachgewachsen, die selbstbewusst die Macht für sich beansprucht. Wer in der CDU so weit oben stand und so tief fiel wie Diepgen und Landowsky, für den gilt das alte Boxermotto: They never come back.
Mit welchem Konzept geht die CDU in den Abgeordnetenhaus-Wahlkampf?
Ein programmatisches kann ich nicht entdecken, aber sie will die Macht.Interview: Matthias Lohre