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der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR

… ist der ideale Mann für den Boulevard. Gern präsentiert er sich vor jeder Kamera und plaudert offen über alles, was ihm sinn- und wertvoll erscheint. Hat er erst einmal diesen Status erreicht und Bunte und Gala rufen nach ihm, hält er das für die gelungene Akzeptanz seiner Lebensweise und fühlt sich geborgen im Schoße der Klatschgesellschaft. So ähnlich mag es Frauen wie Jenny Elvers oder Verona Feldbusch ergehen, die auch glauben, sie haben es geschafft, weil keine Kamera mehr an ihren Titten vorbeikommt.

Aber wie frisiert man den Homo in den Klatschblättern so zurecht, dass er passt? Nicht unappetitlich oder gar fremd? Glamourös und doch bieder und beinahe heterosexuell? Auf jeden Fall braucht er einen Mann an seiner Seite, einen ständigen Begleiter, einen Lebenspartner – ohne den geht gar nichts. Ein polymorph-perverser Single, den des Lesers Fantasie nur auf Orgien und in Darkrooms wähnt – so weit geht die Toleranz noch nicht. Die Schlagzeilen und Klatschgeschichten um Klaus Wowereit, Guido Westerwelle und Patrick Lindner beweisen es – ein Mann an der Seite lässt das homosexuelle Drama für die Öffentlichkeit leichter ertragen.

„Ein Mann ging, der andere weint …“, stand jüngst in der Bunten, gefühlvoller Einstand für ein Interview mit dem Münchner Frisör Gerhard Meir über das Ende seiner Beziehung mit dem Studenten Steffen Burkhard. Zuerst gibt es ein dickes Lob des Klatschorgans: „Die beiden bekannten sich offensiv. Wir sind schwul, und das ist auch gut so.“ Offensiv! Tja, diese Gesellschaft belohnt noch immer jene, die sich „bekennen“, ihre Schuld vor ihnen ausbreiten und offen legen. Und noch ein Lob für die beiden: „Sie teilten alles. Steffen kochte raffiniert, Gerhard ist Gourmet und Weinliebhaber. Sie reisten durch die Welt.“ Mensch, sagt sich da doch der unvoreingenommene, heterosexuelle Leser, das ist doch fast wie bei uns!

Jetzt aber die Trennung, und Paul Sahner, der Bunte-Mann für die groben Gefühle, ist dabei. „Wie war der letzte Abend mit Steffen?“ Was für ein Einstieg! Meir antwortet in Technicolor: „Wir hatten es uns gemütlich gemacht in unserer Hamburger Wohnung mit Alsterblick.“ Wer so den Blick auf das Wesentliche hält, hat keine Zeit für die wirklichen Details: „Es ging dann ganz schnell. Vorwürfe, zack, zack, bum, bum. Wieso? Wann? Was? Warum?“ Der Rest ist Beziehungsgeschichte, wie bei „Millionen anderen Paaren“ (Meir), Steffen ist zurück auf dem Bauernhof, Meir arbeitet sich die Trauer weg beim Färben und Fönen.

Und – das ist noch wichtig für die ersehnte Akzeptanz – Meir ist kein Homo wie die anderen: „Die meisten verlassenen Schwulen stürzen sich kopfüber in die Szene – der Nächste bitte. Nicht mein Ding … Diese krawallige Homo-Szene ist nicht meine Sache.“ Schön, dass wir auch das geklärt haben.

Homosexuelle Männer können es schaffen, den Weg in die Mitte. Sie müssen sich nur ordentlich anpassen und verleugnen dabei, ein Paul Sahner wird es ihnen danken mitsamt der ganzen aufgeklärten, toleranten Chi-Chi-Gesellschaft. Mit Häme und Verachtung abgestraft werden aber jene – siehe Rudolf Moshammer –, die nichts zu „bekennen“ hatten und sexuell unartig aus der Reihe tanzten.

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