: Soldaten quälen sich gegenseitig
Der Wehrbeauftragte Penner legt seinen letzten Jahresbericht vor: Gewalt unter gleichrangigen Soldaten nimmt zu, Zahl rechtsextremer Vorfälle sinkt geringfügig
BERLIN taz ■ Im vergangenen Jahr hat die Zahl von Misshandlungen bei der Bundeswehr weiter zugenommen. Wie der Wehrbeauftragte des Bundestages, Wilfried Penner (SPD), in seinem letzten Jahresbericht für 2004 feststellte, wurden 94 Misshandlungen registriert – 58 mehr als im Vorjahr. Dabei handele es sich nicht nur um Untergebenenmisshandlungen, sondern auch um die Misshandlung von Soldaten desselben Dienstgrades untereinander oder Übergriffe von Untergebenen auf Vorgesetzte, sagte der Wehrbeauftragte gestern in Berlin. „Meiner Einschätzung nach hat die Bundeswehr auf diese Vorfälle differenziert und angemessen reagiert“, sagte Penner. Die betroffenen Soldaten wurden entlassen, unter Arrest gestellt, oder es wurden ihnen die Dienstbezüge gekürzt.
Im vorigen Jahr hatten vor allem die Übergriffe auf Soldaten im Bundeswehrstandort Coesfeld für Aufsehen gesorgt. Soldaten hatten dabei Geiselnahmen und Verhöre nachgestellt, bei denen massiv Gewalt ausgeübt wurde. Allein 43 Eingaben seien auf Coesfeld zurückzuführen, hieß es. Allerdings hatte sich damals kein einziger der betroffenen Rekruten an die zuständigen Vertrauenspersonen gewandt, sagte Penner. Die Vertrauenspersonen hätten das betreffende Ausbildungsmodul für rechtmäßig gehalten. Die Vorgänge seien an das Verteidigungsministerium weitergeleitet worden. „Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Ministerium die Sachverhalte nicht nach rechtsstaatlichen Maßstäben aufarbeitet“, sagte Penner.
Die Fälle von Rechtsextremismus sind dagegen im Vergleich 2004 zu 2003 nahezu unverändert geblieben. Insgesamt 134 Vorgänge sind voriges Jahr registriert worden, heißt es im Jahresbericht. Dazu hätten das Grölen von Naziparolen und der Hitlergruß gehört. Die betroffenen Soldaten waren in der Regel betrunken. In 2003 waren 139 rechtsextreme Vorfälle gemeldet worden.
Der aktuelle Jahresbericht ist der letzte des Wehrbeauftragten Penner. Am 11. Mai geht der 68-Jährige in den Ruhestand. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte nach einem internen Streit die für morgen geplante Neuwahl des Wehrbeauftragten auf April verschoben. Die Aufstellung des SPD-Kandidaten Reinhold Robbe ist offenbar auch parteiintern umstritten. Die FDP stellte unterdessen als eigenen Kandidaten ihren verteidigungspolitischen Sprecher Günther Nolting auf. In einer Erklärung bemängelte der Zusammenschluss kritischer Offiziere, der Arbeitskreis Darmstädter Signal, die bisherige Kandidatenauswahl. „Wir brauchen einen Wehrbeauftragten, der die notwendige Autorität seines Amtes aus der breiten Zustimmung des Deutschen Bundestages ableiten kann.“ PHILIPP DUDEK