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Archiv-Artikel

Köhler auf den Hundt gekommen

Mit seiner lang erwarteten Grundsatzrede spricht der Bundespräsident den Menschen aus der Seele – vor allem denen im Arbeitgeberlager. Köhler fordert politische Vorfahrt für Arbeitsplätze

BERLIN taz ■ Spielt Köhler den Kanzler? Zwei Tage vor dem Jobgipfel von Opposition und Regierung präsentierte gestern Bundespräsident Köhler seine Vorstellungen vom Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Doch nicht dem Kanzler machte Köhler Konkurrenz. Mit radikalen Vorschlägen zum Umbau des Sozialstaats qualifizierte sich der 62-Jährige für andere Aufgaben: Horst Köhler – der Arbeitgeberpräsident.

„Die Hauptaufgabe von Unternehmen und Betrieben ist: am Markt erfolgreich zu sein und Gewinne zu machen. Das verdient immer wieder klar gesagt zu werden“, sagte Köhler. „Herzlichen Dank für diese große Rede“, erklärte prompt der derzeitige Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, in dessen Berliner Zentrale Köhler gesprochen hatte. „Sie haben uns in vielen Punkten aus dem Herzen gesprochen.“ Angetan bis begeistert waren auch die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP, Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle. Vertreter von Rot-Grün versuchten das Beste aus einer Rede zu machen, die selbst objektive Beobachter nur schwer als Unterstützung des Regierungskurses lesen können.

„Ich sehe darin eine große Unterstützung für den Bundeskanzler“, erklärte ungerührt SPD-Generalsekretär Benneter. Von einem „interessanten“ Auftritt sprach vieldeutig Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt.

Köhlers zentrale Forderung lautete, alles in der Politik der Schaffung von Arbeitsplätzen unterzuordnen. „Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir in Deutschland jetzt eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit.“ Gut sei, was Arbeit schaffe. „Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden. Was anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist nachrangig.“ So gerne Politiker auch die Forderung nach einem Abbau der Arbeitslosigkeit vor sich hertragen – derart kategorisch hat es in den letzten Jahren keiner formuliert. Auf die Tücken der Zuspitzung wiesen gestern nur verhalten einige wenige Stimmen hin. Die Grüne Göring-Eckardt fürchtete um das Antidiskriminierungsgesetz, das nach dem Jobgipfel als Jobbremse im Abfall landen könnte.

Radikal war Köhler auch bei den Methoden. „Am wirkungsvollsten wäre es, die Kosten der sozialen Sicherung völlig vom Arbeitsverhältnis abzukoppeln“, sagte er. „Unser Steuersystem schreckt ab – es muss von Grund auf überholt werden mit dem Ziel, die Steuersätze zu senken und die Bemessungsgrundlage zu verbreitern.“ Steuervereinfacher Friedrich Merz nickte beifällig.

Schelte für die Opposition ließ sich Köhlers Rede allenfalls indirekt entnehmen. „Taktische Reformpausen wegen Wahlterminen oder einen Zickzackkurs können wir uns nicht leisten“, darin erkannten verschiedene SPD-Politiker eine Kritik an „der Blockadepolitik der Opposition“.

Bereits Köhlers Anspruch, in der aktuellen Politik mitzumischen, löste Widerspruch aus. „Nichts gegen Herrn Köhler“, kritisierte etwa der SPD-Linke und Fraktionsvize im Bundestag Michael Müller, „aber die Rollen müssen schon klar bleiben.“ Für konkrete Probleme seien Regierung und Parlament zuständig, nicht ein Präsident, der niemandem Rechenschaft schuldig sei. So angetan Stoiber und Merkel von der Rede ihres früheren Parteifreundes waren, beim Jobgipfel selbst will auch die Union den Bundespräsidenten lieber aussperren. Mit Schröder, Merkel, Stoiber und Vizekanzler Joschka Fischer seien dort die vier maßgeblichen Köpfe versammelt, sagte etwa der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Norbert Röttgen. „Für einen fünften sehe ich da keinen Platz mehr.“

PATRIK SCHWARZ

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