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Archiv-Artikel

Land sucht illegale Wähler

Das NRW-Innenministerium fordert in einem Brief türkische Doppelstaatler auf, ihren deutschen Pass zurückzugeben. Denn sollten sie bei der Landtagswahl mitstimmen, würde die Wahl ungültig

VON NATALIE WIESMANN

Die frisch eingebürgerten Türken in Nordrhein-Westfalen werden vor ihrer ersten Landtagswahl im Mai eine extra Einladung von Innenminister Fritz Behrens erhalten: „Bitte sagen Sie uns, ob sie die türkische Staatsangehörigkeit nach 2000 wieder angenommen haben,“ schreibt der SPDler in einem Brief. Falls ja, so dürfe diese Person nicht an den Wahlen teilnehmen.

Seit ein paar Wochen haben Innenpolitiker die so genannten illegalen Doppeltstaatler im Visier. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht verbietet in der Regel die Mehrstaatlichkeit. Wer ohne Zusage des deutschen Staates einen zusätzlichen Pass beantragt, wird ausgebürgert. Auslöser der Diskussion war der türkische Staat, der öffentlich die Zahl der nach 2000 wiedereingebürgerten Türken in Deutschland auf 50.000 bezifferte.

„Bundesinnenminister Schily verhandelt zurzeit mit der Türkei über die Herausgabe der Namen“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Doch es sehe nicht so aus, als ob die Namen bis zur Landtagswahl in NRW bekannt würden. Somit bestehe die Gefahr, so heißt es in einem Brief des Innenministeriums an die Bezirksregierungen, „dass ein erheblicher Teil dieser Personen an der Landtagswahl unberechtigt teilnimmt.“ Die Meldebehörden sollen jetzt 100.000 Briefe losschicken und sind auf die Mitarbeit der Angeschriebenen angewiesen.

Eine gesetzliche Pflicht, ihre zweite Staatsbürgerschaft anzugeben, gibt es aber nicht, so Turan Özkücük vom Integrationsrat in Köln. „1980 ist eine solche Informationspflicht bewusst vom Gesetzgeber aus dem Ausländergesetz entfernt worden“, sagt er. „Der Staat missbraucht jetzt das Meldegesetz, um an Informationen ranzukommen, die er anders nicht bekommt.“

Er selbst habe seine doppelte Staatsbürgerschaft schon länger, also legal. „Wenn ich aber angeschrieben würde, würde ich erst einmal einen Anwalt einschalten“, sagt er. „Es ist außerdem diskriminierend, dass nur Türken angeschrieben werden.“ Die eingebürgerten Russen, die nach 2000 wieder ihre alte Staatsangehörigkeit beantragt hätten und auch Angehörige anderer betroffener Nationalitäten werden nicht angeschrieben. „Hier wird wieder Türkenfeindlichkeit geschürt“, sagt Özkücük.

Mustafa Okur, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Rhein-Ruhr, will eine Amnestie-Regelung: „Diese Leute haben jetzt einfach den Fehler gemacht, aber das ist noch kein Grund, sie alle wieder auszubürgern“. Er schlägt vor, die Betroffenen vor die Wahl zu stellen: „Die meisten würden sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden, sie leben doch hier“, sagt er.

Doch eine solche Regelung soll es nicht geben: „Wer einen neuen Pass in der Hand hält, ist ausgebürgert“, so Innenministeriums-Sprecherin Pelzer. „Wir hätten ja gerne so eine Amnestie, aber es geht nicht.“ Sie hofft auf die Vernunft der Angeschriebenen: „Irgendwann kommt es ja doch heraus, besser heute als später“. Das gilt vor allem für die Landesregierung. Denn wenn Menschen mit illegalem Doppelpass wählen, muss die ganze Wahl annulliert werden. Für die Ausgebürgerten hat Pelzer einen kleinen Trost parat: „Es gibt da einen Paragraphen, nachdem jemand, der schon mal deutsch war, erleichtert wieder eingebürgert werden kann“.

Das bedeutet aber dann trotzdem, dass sich die Betroffenen erst einmal von einer befristeten Aufenthaltserlaubnis über eine Niederlassungserlaubnis zu einer Staatsangehörigkeit zurückarbeiten müssen. Die Migrantenvertreter sind sich einig: Das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht geht an den Bedürfnissen der Einwanderer vorbei. „Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn jemand gegen das Gesetz verstößt“, sagt der Kölner Özkücük.