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Archiv-Artikel

Die Kronjuwelen der Gatten

Das Hafenmuseum im Speicher XI zeigt sich ein Jahr nach der Gründung zunehmend erlebnislustig. 15.000 waren schon da

Mit Tränen der Erinnerung, voller Nostalgie und Schwärmerei kommen ehemalige Hafenarbeiter vorbei

Eine Hafenrundfahrt, die ist lustig – aber im stadtbremischen Bereich auch ziemlich öde. Anekdoten von anno dunnemals müssen dem Hafenrundfahrer das maskuline Treiben am Kai ersetzen. Seit dem Siegeszug der Containerschifffahrt kann Bremen mit einem Umschlag von 13,6 Millionen Tonnen Stück- und Frachtgut (2004) gegenüber Bremerhaven oder gar Hamburg schon lange nicht mehr punkten, die drei beziehungsweise zehn Mal so viel Umschlag zu verzeichnen haben. Von Antwerpen oder Rotterdam ganz zu schweigen. In der Logik des Niedergangs der Hafenwirtschaft ist es nur konsequent, dass die Hansestadt statt dessen mit einem Hafenmuseum auftrumpft.

Vor einem Jahr wurde es im 100 Jahre alten Speicher XI eröffnet. Auf knapp 2.000 Quadratmeter sollte das Leben der letzten 150 Jahre in den Bremer Häfen nachvollziehbar bewahrt, die Verwicklung von Hafen- und Stadtgeschichte dargestellt werden. Zum ersten Geburtstag beschreibt Leiterin Kathrin Golka ihr Haus als „Denkmal“ für den 1998 zugeschütteten Überseehafen. Dies sei ein emotional stark besetzter, brutaler Einschnitt in die Historie des Bremer Westens gewesen, hat die Kunstwissenschaftlerin erfahren. „Mit Tränen der Erinnerung, voller Nostalgie und Schwärmerei kommen noch heute ehemalige Hafenarbeiter bei uns vorbei.“

Sie sind es, neben der noch ansässigen Hafenwirtschaft, die das Museum mit Exponaten füllen: Arbeitsutensilien, Fotoalben, Erfahrungen. Die persönlichen Geschichten werden von Museumsmitarbeitern aufgezeichnet und ausschnittweise in die Ausstellung integriert. Auch brächten, so Golka, immer mal wieder Witwen „die Kronjuwelen ihres Gatten“ vorbei – etwa einen vergoldeten Stauerhaken. In einem überquellenden Depot werden derzeit Hunderte Dauerleihgaben und Geschenke archivarisch erfasst. So habe sich das Hafen- zu einem Sammlermuseum der besonderen Art entwickelt, meint Golka, „einem stark lokal verankerten Work-in-progress-Museum“. Mit Erfolg. Bisher konnten 15.000 Besucher gezählt werden.

Das Hafenmuseum lebt ohne Subventionen. Betreiber ist der Investor: Klaus Hübotters Grundstücksgesellschaft mbH. „150.000 Euro Betriebskosten müssen pro Jahr für uns aufgebracht werden“, schätzt Golka. Erwirtschaftet werden diese durch Vermietung anderer Speicher XI-Räumlichkeiten und die Einnahmen des Museumsrestaurants - hinzu kämen Sponsorengelder. Finanzierungsmängel begleiche Hübotter aus eigener Tasche. Dass man zu Bremens kostengünstigen Museen gehört, liegt an den geringen Personalkosten. Nur zwei fest Angestellte gibt es. Hinzu kommen Honorar- und ehrenamtliche Kräfte. Gerade werden zwei ehemalige Kapitäne als Museumsführer angelernt.

Ein zentraler Bereich der Dauerausstellung konnte schon kurz vor dem ersten Geburtstag eingeweiht werden. Unter dem Titel „Hand in Hand“ werden Hafenberufe und umgeschlagene Waren ähnlich präsentiert wie im Überseemuseum. Im Hafenmuseum aber ist Harry Belafontes „Banana Boat Song“ zu hören – und wir erfahren, dass der dort verewigte „Mister Tallyman, tally me banana“ ein Seegüterkontrolleur war.

Auf Wunsch der Besucher präsentiert sich das Hafenmuseum zunehmend erlebnisorientierter. Säcke können mittels Flaschenzügen hochgehievt, eine Dezimalwaage darf zur Diätkontrolle genutzt werden. Menschen mit nervösen Fingern dürfen Exportgüter ertasten – wie (Spielzeug-)Autos und Bierflaschen. Sinnlich andere Gelüste befriedigt die Schnüffelstation mit Fischmehl, Schafwolle und Kakaobohnen.

Zwei zentrale Themenfelder fehlen noch zur vollendeten Dauerausstellung: „Krieg und Zwangsarbeit“ wird am 28. April eröffnet und um ein Wandgemälde herum gestaltet, das französische Kriegsgefangene der 40er Jahre in einem Bremer Speicher malen durften. Der Raum „Handel und Seefahrt“ wird im Dezember fertig gestellt, hofft Golka. Die Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr. Jens Fischer