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Archiv-Artikel

Schuldnerberatungen ausgetrocknet

Wer arm ist und ein Schuldenproblem hat, muss auf den guten Willen der Berater hoffen: Seit Anfang Dezember wurden keine Anträge auf Schuldenberatung bewilligt. Jetzt fürchten Berater Kürzungen – zu Lasten der Ärmsten

Von ede

bremen taz ■ Das hässliche Gesicht von Hartz IV bekommen verschuldete BremerInnen seit Jahresbeginn deutlich zu sehen: Selbst wenn bei ihnen der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, bleiben sie ohne Hilfe – es sei denn, sie treffen in den Schuldnerberatungsstellen der sieben Bremer Träger auf Mitgefühl und Gnade. Denn seit dem 1. Dezember hat das Amt für Soziale Dienste keine Anträge auf Schuldnerberatung mehr bewilligt. Auch die von der Kommune beauftragte Bagis hat noch keine Vertragsgrundlage für eine künftige Zusammenarbeit mit ihnen. Daran feilt das Sozialressort noch. „Ein Unding“, sagen BeraterInnen. Sie müssen motivierte Ratsuchende jetzt hinhalten. Wer dennoch berät, riskiert, seine Kosten nicht zurückzubekommen. Der Etat von zuletzt zwei Millionen Euro für Schuldnerberatung soll in diesem Jahr halbiert werden.

Doch noch steht das Geld vom vergangenen Jahr aus. Auf insgesamt 400.000 Euro schätzt der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände in Sachen Schuldnerberatung (LAG), Stefan Jonas, das Manko. Allein die Caritas, die im Jahr rund 290 Menschen hilft, die vor Schulden nicht mehr ein noch aus wissen, erwarte von der Behörde noch 20.000 Euro Nachzahlung für bereits bearbeitete Altanträge. Der Diakonie fehlen 36.000 Euro für Altfälle. Seit Januar steht dort fast jeden Tag ein hoch verschuldeter Neufall vor der Tür. Auch bei der Solidarischen Hilfe ist die Nachfrage hoch – und wird bedient. „Die Sozialbehörde hat doch selbst mit erhöhter Nachfrage gerechnet“, sagen die Berater. „Viele Menschen sind auf ALG II-Niveau regelrecht abgestürzt.“ Umso widersinniger seien die Abstriche an der Beratung, sagt Diakonie-Sprecher Bertold Reetz.

Der Sprecher der Sozialbehörde gesteht Verzug ein. Die Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen dem Amt für Soziale Dienste und der von der Stadt beauftragten Bagis (Bremer Agentur für Integration und Soziales) habe Kraft und Zeit verschlungen. „Aber wir geben uns Mühe, bei den Schuldnerberatungen voran zu kommen“, sagt Klaus Krancke. Auch zahle die Sozialbehörde Abschläge an einzelne Beratungseinrichtungen – um diese zahlungsfähig zu halten. Das bestätigt LAG-Sprecher Jonas. „Aber auch Abschläge müssen später spitz abgerechnet werden.“

Die Unruhe ist enorm. Unter Bagis-MitarbeiterInnen herrsche „großes Unwissen“, zumal viele Bagis-SachbearbeiterInnen, insbesondere die von der Arbeitsagentur, noch nie mit Schuldnerberatungen zusammengearbeitet haben. Doch auch für versierte Bagis-Leute aus dem Amt für Soziale Dienste werde Vieles anders. Denn wer künftig eine Schuldnerberatung bezahlt bekommt, das bestimmt jetzt nicht mehr das Bundessozialhilfegesetz, sondern die Sozialgesetzbücher II und XII. Für Arbeitslosengeld II-EmpfängerInnen gebe es da viele „Kann-Bestimmungen“, sagt Jonas. Berater erwarteten Nachteile für sich und ihre Klienten (siehe Kasten). Bei der Bagis heißt es: Die Kommune ist zuständig, sie muss den Handlungsrahmen bestimmen. Dass künftig Fallmanager eine Schuldnerberatung streng nach Kassenlage anordnen, kann niemand ausschließen. Unter Beratern vergrößert das die Unsicherheit. „Früher konnten wir die Notlagen einschätzen. Die Anträge wurden zu 90 Prozent bewilligt“, sagt Jonas. Das alles sei nun hinfällig. Komme es zur angedeuteten Kürzung, müsse die Hälfte der Beratungszentren schließen.

Jonas‘ Arbeitgeber, die Caritas, handelt deswegen vorsichtig. Dort sichtet man zurzeit nur die Lage der Ratsuchenden und nimmt dann deren Namen und Adressen auf. Zwecks späterer Hilfe. Erst müssten die politischen Entscheidungen fallen. So lange prophezeit Jonas: „Ich glaube, das wird noch eine ganz ganz enge Nummer.“ Manche Schuldnerberatung werde wohl auf einem Teil der Kosten für ihre Beratung sitzen bleiben. ede