Der Letzte macht das Licht aus

Die „Koalition der Willigen“ bröckelt: Italiens Ministerpräsident Berlusconi kündigt den Abzug seiner Truppen aus dem Irak an und folgt damit Spanien, den Niederlanden und der Ukraine

BERLIN taz ■ Was mit dem Einmarsch in den Irak vor knapp zwei Jahren als „Koalition der Willigen“ von fast 40 Ländern begann, ist politisch inzwischen um fast die Hälfte geschrumpft. Am Dienstagabend hat auch Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi angekündigt, im September werde der Abzug der rund 3.000 italienischen Soldaten aus dem Irak beginnen. Italien reiht sich damit ein in eine stetig wachsende Zahl US-Verbündeter, die dem Irak den Rücken kehren.

„Die öffentliche Meinung in unseren Ländern fordert diese Entscheidung“, sagte Berlusconi unter Verweis auf ein Gespräch mit dem britischen Regierungschef Tony Blair. Aus London jedoch kam umgehend ein Dementi: „Weder die italienische Regierung noch wir haben irgendeine Frist für einen Rückzug gesetzt“, sagte Blair vor dem Unterhaus. Vielmehr habe Berlusconi nur wiederholt, was schon immer auch britische Position gewesen sei: „Wir haben immer gesagt, dass wir so schnell wie möglich abrücken sollten, sobald die irakischen Truppen in der Lage sind, selbst für die Sicherheit zu sorgen.“

In die gleiche Kerbe schlug gestern US-Präsident George W. Bush: Berlusconi habe ihm versichert, dass sich an der Politik nichts ändern werde, sagte er in Washington. Auch die USA, insistierte Bush, wollten ihre Soldaten abziehen, wenn die Iraker sich selbst verteidigen könnten. Vorangegangene Äußerungen von Außenministerin Condoleezza Rice und Bush-Sprecher Scott McClellan, die Italien für den Einsatz dankten, klangen allerdings deutlich nach Abschied.

Mit rund 150.000 im Irak stationierten Soldaten haben die USA stets das mit Abstand größte Kontingent gestellt gegenüber derzeit rund 24.000 Soldaten aus rund 20 anderen Ländern, angeführt von Großbritannien mit 8.000, Südkorea mit 3.600 und Italien mit 3.000. Doch neben Tonga, das seine rund 40 Soldaten im Dezember zurückzog, und Nicaragua, das schon seit Februar 2004 nicht mehr im Irak vertreten ist, haben auch wichtige Partner ihren Rückzug begonnen oder bereits abgeschlossen. Spanien blies schon 2004 zum Abzug. Der letzte der einst rund 1.600 niederländischen Soldaten hat den Irak vor gut einer Woche verlassen. Die ersten 137 der 1.650 ukrainischen Soldaten trafen gestern in ihrer Heimat ein, der Rest soll bis Jahresende folgen. Selbst Polen, aus Dankbarkeit von den USA einst mit einer eigenen Besatzungszone geehrt, hat den Rückzug seiner 1.700 Soldaten zwischen Juli und Jahresende angekündigt, ähnlich wie Bulgarien mit 450 Soldaten. Nach US-Berichten ist die Zahl der Staaten, die Truppenkontingente zu Verfügung stellen, bereits von 38 auf 24 gesunken.

Militärisch dürften die abziehenden Einheiten zu ersetzen sein, politisch jedoch steigt mit den Ankündigungen der Druck – auf US-Präsident George W. Bush, insbesondere aber auf Tony Blair, der vermutlich im Mai dieses Jahres Wahlen gewinnen will. BERND PICKERT

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