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Archiv-Artikel

Kunst von begrenzter Haltbarkeit

Eine Doppelausstellung im Museum Ludwig und im Schokoladenmuseum widmet sich einem mit Mythen beladenen Stoff: der Schokolade. Eine lustvolle Schau bei reduzierter Raumtemperatur

Von JÜRGEN SCHÖN

Ihr Verzehr stärkt die Liebeskraft und vertreibt Liebeskummer. Einst Luxus, ist sie heute ein Massengenussmittel. Sie zerschmilzt auf der Zunge und kann doch steinhart sein. Ihr Anbau und ihre Vermarktung ist mit Ausbeutung verbunden: Schokolade in flüssiger und fester Form ist ein mit Mythen und handfesten Fakten aus Kulturgeschichte, Politik und Ernährungskunde beladener Stoff. Nur die Kunst hat bislang, von wenigen Ausnahmen abgesehen, einen Bogen um den braun Stoff gemacht. Eine Doppelausstellung im Kölner Museum Ludwig und im Schokoladenmuseum am Rheinauhafen holt dies Versäumnis jetzt nach.

Mit einem kleinen Schokoladendom hatten die Initiatoren bei 25 Künstlern und Künstlerpaaren für eine Teilnahme geworben. Gerhard Richter, Jeff Koons und Bruce Nauman hatten keine Zeit. Der Kontakt zu Maurizio Cattelan ging verloren. Doch die anderen 21, darunter Louise Bourgeois, Thomas Schütte, Isa Genzken und Fischli & Weiss bieten mit ihren Kleinplastiken eine lustvolle, abwechslungsreiche Ausstellung zwischen Spaß und Ernst, die es dem Besucher überlässt, auf welche kunstphilosophische Gedankenspiele er sich einlässt.

Innen und Außen verdrehen Ilya und Emilia Chabakov: Sie servieren Tassen aus Schokolade, deren Inhalt aus weißem Porzellan besteht. Nicola Torkes Blockflöte wäre manch süße Melodie zu entlocken, doch nicht allzu lange, denn das Mundstück ist aus Schokolade. Sonja Alhäuser schickt einen Trupp Demonstranten ins Rennen – wofür oder wogegen, bleibt allerdings unklar, die Transparente sind leer. Tom Otterness hat Humpty Dumpty aus „Alice im Wunderlan“ gegossen, Karin Sander einen „Siegfried“ aus einem Schokoblock gefräst – woher wohl sein riesiger Leibesumfang kommt? Lediglich Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen enttäuschen mit ihrem „Essbaren Souvenir“: einem Kölner Dom aus Tropfschokolade.

Das Museum Ludwig stellt den Kunstcharakter in den Mittelpunkt seiner schummrigen Präsentation und lädt zu einem Gastmahl ein: Die Objekte stehen, durch Glasvitrinen geschützt, auf einem langen Holztisch, der Besucher kann auf Holzbänken Platz nehmen.

Eine nüchterne Werkschau dagegen im Schokoladenmuseum, wo die gleichen Stücke mit Erklärungen zu ihrem Herstellungsprozess gezeigt werden. Millimeterdick nur ist der Filzhut, den Hans-Peter Feldmann in einer elastischen Silikonform hat gießen lassen. Trockenprobleme gab es bei dem lebensgroßen, mit einem Netzstrumpf bekleideten Frauenbein von Rosemarie Trockel: 11,5 Kilo massive Schokolade. In den Ausstellungsräumen darf es nicht wärmer als 18 Grad sein, sonst schmelzen die Plastiken. Unklar noch, ob die meist aus Zartbitter gefertigten Stücke ihre braune Farbe behalten oder durch Fettaustritt langsam weiß werden.

Schade nur, dass „Ideengeber“ Dieter Roth nicht in der Ausstellung vertreten ist, es auch keinen Hinweis auf seine Arbeit „Badewanne. Ludwig van“ (eine Zinkwanne mit Dutzenden Komponistenköpfen aus Schokolade gefüllt) aus dem Jahr 1969 gibt. Sie ist in der Dauerausstellung des Museums Ludwig zu sehen. Roth stellt damit die Frage nach der „Haltbarkeit“ von Kunst. Seine Retrospektive im Jahr 2003 hatte den Anstoß zu „Kunst in Schokolade“ gegeben.

„Kunst in Schokolade“, Museum Ludwig: Di-So 10-18 Uhr, 1. Freitag im Monat: 10-23 Uhr. Schokoladenmuseum (Rheinauhafen): Di-Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-19 Uhr, jeweils bis 19.6., Kombiticket 12,50/7 Euro