: Greifswald nicht von Gott verlassen
Hochschul-Streit in Mecklenburg-Vorpommern: Während sich Rostocks Uni-Leitung von Streichplänen distanziert, rügt Greifswalds akademischer Senat seinen Rektor, stärkt Theologen den Rücken und bezichtigt den Prorektor des Verrats
Von Verrat war die Rede. Der Prorektor Claus-Dieter Classen habe die Interessen der Universität verraten, hieß es auf der Sitzung des akademischen Senats in Greifswald. Und nicht minder rüde urteilte das höchste Uni-Gremium über die Amtsführung von Rektor Reiner Westermann: Es verabschiedete eine förmliche Missbilligung gegen den Psychologie-Professor. Kaum der Rede wert, dass auch die von ihm vorgeschlagenen Strukturveränderungen am Mittwochabend in die Tonne getreten wurden: Sein Plan, den von der Landesregierung geforderten Stellenabbau unter anderem durch Streichung der theologischen Fakultät umzusetzen, war mit ein Auslöser des tiefen Zerwürfnisses (taz vom 8.3.).
Westermann, der gestern zu einer Stellungnahme nicht bereit war, hatte diese Vorschläge nur mit seinem Vertrauten Classen besprochen: Weder hatte es eine Rücksprache mit den betroffenen Fakultäten gegeben, noch mit anderen universitären Gremien. Selbst im Rektorat zog Westermann enge Grenzlinien: Seinen zweiten Prorektor ließ er zu den Verhandlungen mit der zweiten Universität des Landes nicht zu. Mit seinem Rostocker Amtskollegen Hans Jürgen Wendel war Mitte Februar ausgehandelt worden,die juristische Fakultät in der Hansestadt zu schließen und im Gegenzug dort die Geisteswissenschaften einschließlich der Theologie zu konzentrieren. Während Wendel sich von den gemeinsamen Kürzungs-Plänen mittlerweile distanziert hat, verteidigte Westermann seine Position auf der Senats-Sitzung allerdings bis zum Schluss: „Mein Hauptkriterium war“, so der Psychologie-Professor, „dass wir leistungsfähige Fächergrößen an einem Ort bekommen, egal wie der Ort heißt.“ Die in der Landesverfassung verankerte Bestandsgarantie der theologischen Fakultät und des Instituts für Kirchenmusik hatte weder ihn noch seinen Stellvertreter Classen vom Schließungs-Plan abhalten können.
Besonders dessen Rolle im Streich-Konzert sorgte für Verärgerung: So wurde bekannt, dass Classen an den Entwürfen des vom Bildungsminister geplanten Hochschulstrukturgesetzes mitwirkt. Mit dem, so befürchtet der akademische Senat, würde die Autonomie der Unis ausgeschaltet. Besonders pikant: Öffentlich war Classen bislang stets als Kritiker des Gesetzesvorhabens hervorgetreten. Sollte es den Landtag passieren und Classen weiter Prorektor bleiben, wäre der Mit-Verfasser gezwungen, eine Klage gegen sein eigenes Werk zu verfassen: Mit der Vorbereitung eines solchen Widerspruchs gegen das Gesetz nämlich beauftragte der Senat das Rektorat – durch einstimmigen Beschluss.
„Das Vertrauensverhältnis ist zerstört“, befand der Asta-Vorsitzende Thomas Schattschneider. Man fordere weiterhin den Rücktritt des Rektors. „Westermann ist angeschlagen – wenn er noch einen Fehler macht, wird es zur Abwahl kommen“, so Schattschneiders Prognose. Die nötige Zweidrittelmehrheit für einen Abwahlantrag, das hatte sich bei Vorabstimmungen erwiesen, wäre am Mittwoch noch knapp verfehlt worden. Deshalb habe man ihn vor der Sitzung zurück gezogen. Gleichermaßen skeptisch beurteilen Uni-Belegschaft und Studenten-Vertreter indes, ob ein derart in Misskredit geratenes und auch intern offenkundig uneiniges Rektorat noch sinnvoll die Geschäfte der Hochschule führen könne. bes