: Plätze nur auf dem Fußboden
Mitarbeiter der Hartz IV-Behörde schreiben Protestbrief: Jobcenter mit „Reform-Schnelllauf“ überfordert, Software unberechenbar, Arbeitsberater kaum geschult
In den Hamburger Hartz-IV-Behörden herrschen Chaos und Überlastung. Das geht aus einem offenen Brief hervor, den Beschäftigte der für die Umsetzung von Hartz zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) gestern an den Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) schickten. Die Mitarbeiter der 24 Arge-Jobcenter in Hamburg erlebten zur Zeit „ein Chaos an Zuständigkeiten und eine unberechenbare IT-Ausstattung“, warnte die Gewerkschaft ver.di, deren Vertrauensleute in der Arge die Misstände erstmals öffentlich machten. Wegen Raum- und Personalnot seien die Bedingungen auch für die zu betreuenden Jobsuchenden „unerträglich“.
Wenn der Bund melde, das Arbeitslosengeld II sei problemlos gestartet und die Vermittlung der Jobsuchenden könne beginnen, „dann stimmt das mit den Erfahrungen in Hamburg nicht überein“, schreibt die ver.di-Betriebsgruppe. Auch zweieinhalb Monate nach Start von Hartz IV, mit dem Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt wurden, stehe noch die „Zahlbarmachung der Leistungen an die Arbeitslosen im Vordergrund“, heißt es in dem Brief. Wann aber die gesetzlich versprochene Jobvermittlung „angegangen werden kann, ist nicht absehbar“. Zumal es bisher keine „adäquaten“ Schulungen gebe, um die Arge-Mitarbeiter in der Datenbearbeitung sowie den rechtlichen Regeln fit zu machen. Auch in der persönlichen Arbeitsberatung „sind nur wenige Beschäftigte ausreichend geschult“.
Darüber hinaus bleibe auch das Versprechen des Gesetzgebers, künftig werde ein Arbeitsberater 150 Jobsuchende betreuen, „ein Wunsch auf dem Papier“, so die Beschäftigten: „In den Jobcentern haben wir Fallzahlen zwischen 220 und 400.“ Derzeit arbeiten in der Arge 1.200 Leute, 150 sollen noch dazu kommen. Die Raumsituation ist aber „so katastrophal“, heißt es in dem Brief nach Berlin, „dass für die erforderlichen Mitarbeiter gar kein Arbeitsplatz vorhanden ist“. Schon jetzt teilten sich Berater ein Büro, was die Betreuung erschwere. Auch Platz für Wartende sei knapp: „Arbeitslose sitzen im Flur auf dem Boden, weil nicht genug Sitzplätze da sind.“
Damit nicht genug: Wie die Arge-Mitarbeiter berichten, werde nicht allen Antragsstellern „in angemessener Frist“ die Stütze überwiesen. Dies führe zu „unerfreulichen Vorsprachen, da dem Bürger nicht konkret angegeben werden kann, wann er sein Geld erhält“. Ein Grund für die Verzögerung seien die IT-Programme, die „nicht alle Fragen abdecken“ und „sehr instabil“ laufen.
Briefkopien kriegen Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) und Arbeitsagenturchef Rolf Steil, die die Hamburger Zustände verantworten. Werde Hartz weiter „im Schnelllauf durchgezogen“, heißt es darin, „geht das zu Lasten der Beschäftigten sowie der Arbeitslosen und ihrer Familien.“ Eva Weikert