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Archiv-Artikel

„Nostalgisch aufgeladen“

Ein Gespräch mit dem US-amerikanischen Regisseur Wes Anderson über Jacques Cousteau, die Markenbesessenheit, das Studium der Fischbewegungen und seinen neuen Film „Die Tiefseetaucher“

Interview CRISTINA NORD

taz: Herr Anderson, warum haben Sie mit „Die Tiefseetaucher“ einen Film gedreht, der den Ozean als Schauplatz hat?

Wes Anderson: Ich liebe das Meer, besonders im Winter; ich liebe es, an den Strand zu gehen, auch wenn ich nie sonnenbade. In allen meinen Filmen gibt es Unterwasseraufnahmen, in einem zum Beispiel hat eine Figur eine Menge Aquarien voller Fische.

Und welche Rolle spielte Jacques Cousteau, der französische Meeresbiologe und Filmemacher?

Ich war immer sehr interessiert an Cousteau – an seiner Person, an seiner Arbeit und an seinen Filmen. Die Figur, die Bill Murray spielt, ist Cousteau letztlich nicht allzu nah. Dieser Steve Zissou ist Amerikaner, seine Probleme haben mehr mit denen zu tun, die Freunde von mir, vor allem Filmemacher, haben, und in ihm findet sich einiges von Bill Murray. Trotzdem ist das Ganze von Cousteau inspiriert.

Für mich war der Bezug zu Cousteau wie eine Reise in meine Kindheit. Auch wenn „Die Tiefseetaucher“ in der Gegenwart spielt, fühlte ich mich in die Siebzigerjahre zurückversetzt.

Ja, darum geht es. Als ich mich mit elf Jahren für Cousteau zu interessieren begann, schauten wir seine Filme jede Woche im Fernsehen. Für mich und meine Brüder war er ein Held. Im Film gibt es das Motiv, dass der Zissou, von dem alle reden, längst nicht mehr existiert. Es ist der Zissou, den Owen Wilson bewunderte, und der, von dem Cate Blanchett ein Poster an ihrer Wand hängen hatte. Da ist Nostalgie im Spiel.

Zur Nostalgie passt, dass Cate Blanchetts Figur ihrem ungeborenen Kind aus Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ vorliest.

Ich mochte die Vorstellung, dass sie die ganzen Bände mit sich herumschleppt, um sie dem Baby vorzulesen. Ich selbst habe nur „In Swanns Welt“ und ein Drittel von „Im Schatten junger Mädchenblüte“ gelesen, und schon für „Swann“ habe ich zwei Jahre gebraucht.

Trotzdem fließt es in den Film ein.

Ich mochte die Passage sehr gerne. Ich selbst versuche, über solche Entscheidungen gar nicht so viel nachzudenken. Wenn hinterher jemand eine Theorie dazu entwickelt, dann kommt es vor, dass ich denke: Ja, so etwas Ähnliches habe ich auch gedacht, ohne es ganz zu erfassen. Oder: Das dachte ich damals auch, habe es aber in der Zwischenzeit vergessen. Denn wenn es ums Drehen geht, ist alles, woran ich denken will, wie aus dem Drehbuch der Film entsteht und wie die Figuren Leben gewinnen.

Das Drehbuch mäandert, lässt Leerlauf zu und bewegt sich im Kreis. Wie wichtig war dieser nichtlineare Aufbau für Sie?

Ich beginne immer mit den Figuren und mit einigen Ideen für Sequenzen. Die meisten Filme, zumindest die meisten Hollywoodfilme, beginnen dagegen mit dem Plot: Es gibt eine starke Geschichte, und die wird erzählt. Ich wähle den umgekehrten Weg. Das hält den Film offen, so dass ich ihn mit dem anfüllen kann, was mich inspiriert hat. Priorität haben für mich die Details und die Beziehungen zwischen den Figuren, nicht, wie ich durch die Geschichte komme.

Wie entwickeln Sie denn die Details – die Kostüme zum Beispiel oder die Fantasiefische?

Die Fische haben wir erfunden, indem wir das wirkliche Aussehen übernommen und dann in Einzelheiten verändert haben. Da gibt es zum Beispiel das Seepferdchen, das bunt gestreift ist. Ich habe mit Henry Selick zusammengearbeitet; er hat die Fische und Meerestiere animiert. Das war fast, als würde ich mit einem Schauspieler zusammenarbeiten, denn so wie es dem Schauspieler darum geht, die Drehbuchseite zum Leben zu bringen, so geht es Selick darum, diesen Objekten Leben einzuhauchen. Es liegt ihm viel daran, Tiere zu beobachten, und wenn er sich merkwürdige Fragen stellte, wie ein Fisch sich bewegen oder wie eine Einzelheit zu seiner Charakterisierung beitragen würde, so lag das gerade daran, dass er sich so sehr in die Materie vertieft hatte.

Und die Kostüme?

Einiges ist von Cousteau inspiriert, zum Beispiel die roten Mützen. Anderes ist ausgedacht. Ich benutzte außerdem eine Menge Modefotografien und Abbildungen aus Cousteaus Büchern sowie aus einer alten Enzyklopädie. Außerdem sammelte ich, was immer mir sammelnswert erschien. In dem Augenblick, wo wir mit dem Drehen begannen, hatte ich also jede Menge Fundstücke, auf die ich zurückgreifen konnte.

Zissous Crew trägt Schuhe von Adidas im Siebzigerjahredesign. Welche Beziehung besteht zwischen der nostalgischen Regung und dem Markennamen?

Als Kind war ich von Marken besessen. Ein Jahr lang interessierte ich mich für Skateboards, ein anderes für Crossräder, aber es ging immer viel mehr ums Sammeln als um die Tätigkeit selbst. Ich war gar kein guter Skateboarder, aber ich hatte eine Menge Skateboards. Und klar, das ist nostalgisch aufgeladen.

Was nun die Schuhe angeht: Wir haben Adidas sogar angerufen, um ihnen zu sagen, dass wir das Zissou-Modell herstellen. Es gibt so viel Product Placement in Hollywoodfilmen, aber in meinen Filmen will kein Unternehmen je Produkte unterbringen, und ich würde das auch nicht wollen. Adidas hat uns die Schuhe nicht zur Verfügung gestellt, also kauften wir sie, malten einen der Streifen bunt an und besorgten neue Bänder. So entstand der Zissou-Schuh. Wobei mir die Idee, dass etwas mit einem Unternehmen assoziiert wird, nicht gefällt. Es geht stattdessen um den Bezug auf meine Kindheit.