: Schwarzer Goldrausch bedroht Alaska
Der Ölpreis ist auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Die USA wollen weniger auf Importe aus dem Ausland angewiesen sein. Der US-Senat hat beschlossen, dass die Konzerne auch in einem einzigartigen Naturschutzgebiet in Alaska bohren dürfen
VON HANNA GERSMANN
Es ist ein Triumph für US-Präsidenten George W. Bush, der unabhängiger werden will von ausländischem Öl. Für Umweltschützer ist es ein Fiasko: Der US-Senat hat Mittwochabend genehmigt, dass in einem Naturschutzgebiet in Alaska nach Öl und Erdgas gebohrt werden darf. Die Abstimmung fiel mit 51 zu 49 Stimmen knapp aus. Kein Wunder, das Thema ist heikel und seit Jahren umstritten.
Im Arctic National Wildlife Refuge (ANWR) soll eines der größten neuen Öl- und Gasfelder der USA entstehen. Noch leben in dem Gebiet, das so groß ist wie Österreich, Eisbären, Grizzlys und Wölfe. Millionen von Zugvögeln machen dort Rast. Und im Sommer bringen in der Küstenebene 130.000 Karibus, eine Art Rentier, ihre Kälber zur Welt. Bald bohren dort Ölfirmen.
Das sei wichtig für die Sicherheit und den Wohlstand der Vereinigten Staaten, sagte Bush. „Es wird für Wachstum unserer Wirtschaft sorgen, indem es Arbeitsplätze schafft.“
Wichtiger dürfte ihm sein, dass die USA sich etwas besser selbst mit Öl versorgen. Zurzeit importieren sie mehr als die Hälfte ihres täglichen Bedarfs. Ihr Energiehunger ist enorm: Nur 4 Prozent der Weltbevölkerung leben in den USA, brauchen aber 25 Prozent der Weltproduktion. Doch der Rohstoff ist knapp – und so teuer wie nie zuvor. Gestern kletterte der US-Ölpreis für einen Barrel erstmals über 57 Dollar. So steigt der Druck auf Ölquellen in Gebieten, die eigentlich unter Schutz stehen.
Im Alaska-Naturschutzgebiet werden bis zu 16 Milliarden Barrel vermutet – entstanden, als es dort vor Millionen von Jahren ein Meer mit Plankton und Algen gab. Rein rechnerisch reicht die Menge, um den US-Markt für zwei Jahre zu versorgen. Für manche ist das lächerlich wenig. Aber nicht für die Republikaner. Sie wollen seit langem an das Öl, scheiterten aber immer wieder. Etwa am einstigen demokratischen Präsidenten Jimmy Carter. Dann wegen der „Exxon Valdez“. Kommenden Mittwoch vor 16 Jahren rammte sie ein Riff vor Alaska. Bis heute gibt es Spuren des verheerenden Unfalls. Noch hat der Konzern nicht für alle Schäden gezahlt.
Dennoch gelang es der Partei des Präsidenten nun, das Projekt mit der eigenen Mehrheit im Senat durchzubringen. Der Trick: Die Republikaner – sie stehen der Ölindustrie sehr nah – sorgten dafür, dass die Bohrpläne im Haushaltsentwurf stehen. So reichte, anders als bei Abstimmungen über Energieprojekte, die einfache Mehrheit.
Firmen wie Exxon, Chevron Texaco und BP werden ihre Bohrtürme ins Alaskaeis bauen. Sie wissen seit langem, wie sie die Kälte meistern – aus der Arktis selbst, Sibirien oder Kanada. „Doch ist das teuer“, sagt der Geologe Johannes Peter Gerling von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Pipelines müssten gut isoliert sein. Und Pumpstationen oder Bohranlagen seien im Sommer wegen der aufgetauten Böden nur mit Hubschraubern, aber nicht mit Lkws zu erreichen.
„Wo die Technik schwierig ist, ist sie besonders verwundbar“, warnt indes Karsten Smid. Der Greenpeace-Ölexperte fürchtet Lecks. Etwa so eines, wie vor wenigen Tagen in Nordnorwegen. Dort bohrt Shell.
Viele Bewohner Alaskas freuen sich hingegen, wenn neues Öl sprudelt. Jeder Bürger erhält im Jahr aus einem staatlichen Ölfonds 1.000 Dollar Dividende. Das Staatsbudget Alaskas stammt zu 80 Prozent aus Öleinnahmen. Bedrohlich wird es jedoch für die Ureinwohner, die Gwich’in. Seit Jahrhunderten leben sie von der Karibujagd. Die Tiere fliehen vor dem Lärm und der Vibration der Bohrtürme.
Das kümmert den US-Kongress, der den Plänen noch zustimmen muss, voraussichtlich nicht. Die Republikaner haben auch dort die Mehrheit. Geben sie ihr Ja, können die Multis ihre Konzessionen beantragen.
Langfristig, spottet Greenpeace-Mann Karsten Smid, machen sie sich das Bohren selbst schwer. Je mehr Benzin verbrannt wird, umso mehr erwärmt sich der Planet und der Boden in Alaska taut. Smid: „Für Ölfirmen wird es zu schmierig.“